Im Namen Des Schweins
Eine kleine Minderheit von etwa zwanzig Zugereisten, die sich im Lauf der Jahre dort niedergelassen haben, bildet die zweite Gruppe. Von denen, die ich mal Ureinwohner nennen möchte, gibt es nicht viel zu berichten. Die Frauen gehen nie aus dem Haus. Die Männer sind zwar häufiger zu sehen, aber derart misstrauisch, zurückgezogen und in einer Form zurückhaltend, die fast schon an Autismus grenzt. Nur die Jugendlichen treffen sich regelmäßig und unterhalten sich lautstark in ihrem Bergdialekt. Die einzige Ausnahme bildet der Metzger, von dem schon die Rede war. Er wirkt zwar etwas schroff, kann aber bisweilen ziemlich kommunikativ sein. Dann gibt es da noch einen jungen Burschen, den sie ›Kainsmal‹ nennen. Der spielt sich unheimlich auf, aber auch nur, wenn er ein paar Gläser zu viel getrunken hat. Ansonsten rennt er mit einem Trikot von Maradona durch die Gegend und hantiert mit seinem Traktor herum. Meist ist er so schüchtern und scheu wie der Rest des Dorfs auch.«
»Und wie steht es mit den Zugereisten …?«, fragt Rodero, »glauben Sie, dass es eher möglich sein wird, sich mit einem von ihnen zusammenzutun?«
»Ja, auf jeden Fall. Die sind mit dem Rest überhaupt nicht zu vergleichen … Man könnte vielleicht sagen, dass sie das gesamte Panorama an Verschrobenheit abdecken. Es ist wie im Bilderbuch. Vermutlich sind sie dort hängen geblieben, weil sie sonst nirgends hinpassen. Am normalsten ist vermutlich noch der französische Tierarzt … Aber ja, Sie haben Recht, es ist sehr leicht, mit den meisten von ihnen ins Gespräch zu kommen. Manchmal ist es sogar schwerer, sich dem zu entziehen.«
»Könnten Sie den einen oder anderen für uns kurz charakterisieren?«
»Also … Da hätten wir beispielsweise den sogenannten ›Robocop‹. Der sitzt für gewöhnlich den ganzen Tag vor dem Café in den Arkaden und trinkt Bier. Die Polizisten aus dem Streifenwagen meinten, dass der ganze Kokainhandel über ihn läuft … Dann wäre da noch eine Frau, die als ›Schickse‹ bekannt ist. Sie hat früher in einer Werbeagentur gearbeitet und ist von dem Zeug abhängig, das Robocop unter die Leute bringt. Auf der Suche nach einer Location für eine Werbung hatte sie es ursprünglich erstmals ins Dorf verschlagen, und als sie arbeitslos war und kein Geld mehr hatte, um sich die tägliche Dosis in der Stadt zu verschaffen, ist sie zurückgekehrt …«
»Die klingt auch nicht schlecht, oder?«, sagt Rodero.
»Bestimmt … Sie arbeitet als Kellnerin in dem Pub. Ich könnte schwören, dass sie ihr ganzes Gehalt beim Robocop lässt … Sie wirkt immer so, als hätte sie große Lust, mit jemandem zu reden. Außerdem hat sie eine Schwäche für gut aussehende Männer. Was soll ich sagen, mein Assistent hatte dort oben die freie Auswahl …«
»Hatten Sie nicht gesagt, dass im Pub die Kellner ständig wechseln?«
Berganza nickt. Rodero wendet sich jetzt an T: »Also, da hättest Du schon einmal ein paar gute Kontakte …
Wir sind alle sehr gespannt, wie es um Deine Verführungskünste bestellt ist …«
In der Hölle
Das Pub liegt unten in einer Straße, der einzigen, die im Dorf eine Parallelstraße besitzt. Sie führt einen kleinen Hang hinunter zwischen Schieferhäusern, vor denen Geranien hängen, die im letzten Licht des Abends leuchten. Es beginnt kühler zu werden. P steckt die Hände in die Taschen, während er über das unebene Pflaster balanciert.
Von oben sind bereits ein Licht und zwei große rohe Holzstühle zu erkennen, die den Eingang des Lokals flankieren. Um sie herum stehen lauter Zwanzigjährige, von denen die meisten gefärbte Haare haben. Sie trinken das Bier aus der Flasche und reden besonders laut und mit einer besonderen Art der Betonung. Manche sitzen auf den Stühlen, andere lehnen an den zwei Autos, die davor parken. Bei einem Auto stehen alle Türen offen. P kommt im Dunkel der Straße herunter und ist erst wenige Meter vor dem Eingang zu sehen.
Die Musik, die aus dem parkenden Auto dröhnt, übertönt zudem seine Schritte. Harte Rockmusik mit lokalem Einschlag. Die Jugendlichen schauen kurz auf, um zu sehen, wer näher kommt, dann tun sie sofort so, als wäre nichts geschehen. Als P auf ihrer Höhe ist, erlischt die Unterhaltung mit einem Mal. Schweigen, laute Musik, Geruch von Marihuana. Niemand schaut P ins Gesicht. Einige treten ein wenig zurück, um P auf dem schmalen Bürgersteig zwischen der Bank und den Autos durchzulassen. P bedankt sich in die Runde und greift nach dem
Weitere Kostenlose Bücher