Im Namen Des Schweins
Kognak an der Theke. Die Hand, mit der er das Glas hält, hat pechschwarze Fingernägel. Er schaut P kurz an. Auch hier lässt sich keine hörbare Antwort auf den Gruß vernehmen. Im Gegenteil: Er trinkt schnell sein Glas aus, legt eine Münze auf die Theke und geht. Die Dame des Hauses spült Gläser. P findet: »Susi« passt trotz des Alters gut zu ihr. Sie ist ebenso gepflegt gekleidet wie letzte Nacht. Ihr Stil ist elegant und städtisch. An ihren Augen ist abzulesen, dass sie P wiedererkennt, auch ohne viel zu sagen. P bestellt sich einen Café cortado. Ihre Reaktion ist um fünf Sekunden verzögert, dann trocknet sie sich die Hände ab und geht zur Kaffeemaschine.
»Das Hostal habe ich gestern gefunden, danke.«
Es vergehen weitere fünf Sekunden, dann dreht sie sich mit dem Kaffee in der Hand um und schaut P unter ihren hängenden Lidern an: »Das war wohl auch nicht schwer«, sagt sie mit leiser Stimme. Sie geht langsam um die Theke herum, um einen Tisch abzuräumen.
Dann kommt sie mit Gläsern beladen zurück, baut sich vor P auf und schaut ihn sehr fest an, bevor sie ihn anspricht:
»Musst Du ein paar Tage hier bleiben?«
»Mal sehen, keine Ahnung … Das hängt davon ab, ob ich Arbeit finde.«
»Ach so, Du suchst Arbeit …«
»Ja … Egal was.«
»Hier gibt es keine Arbeit. Da musst Du zu den Skiliften gehen oder ins Tal. In den Dörfern da gibt’s Restaurants und Geschäfte …«
»Da war ich schon. Die brauchen frühestens im Sommer wieder Leute. Ein bisschen was habe ich gespart, aber das reicht nicht ewig.«
Längere Pause. Stille Debatte. Langsames Blinzeln.
»Hier gibt es nur ein Hostal und drei Lokale und keine Touristen. Es gibt auch keine Geschäfte, nur den Lebensmittelladen und die Fleischerei.«
»Mir haben sie erzählt, dass es etwas außerhalb auch einen Schlachthof gibt …«
Die Frau schüttelt in Zeitlupe den Kopf und kehrt hinter die Theke zurück.
»Im Schlachthof stellen sie keine Fremden ein. Die haben eine Warteliste und nehmen auch nur Leute aus der Gegend.«
»Und in den Wirtschaften? Manchmal kann man doch noch einen Kellner gebrauchen oder jemanden zum Putzen …«
Ewig lange Pause.
»Dich kennt hier niemand.« Die Frau senkt den Kopf zum Spülbecken. P nimmt an, dass die Unterhaltung damit beendet ist. Sie dagegen hebt ihn langsam wieder, sehr langsam, und scheint dabei fast zu lächeln.
»Aber wenn Du ein paar Tage bleibst, werden sie Dich alle kennenlernen. Es gibt nicht viele Fremde hier.«
P erwidert das eher hypothetische Lächeln.
»Das kann ich mir vorstellen … Die Leute grüßen hier ja nicht einmal zurück.«
Sie denkt einige Sekunden nach und hebt wieder die Augen.
»Mach Dir nichts draus. Sie sind misstrauisch gegenüber Fremden. Das war bei uns allen gleich.«
»Herzlichen Dank. Das kommt einer freundlichen Begrüßung ja so nahe, wie schon lange nichts mehr.«
P geht wieder hinaus. Die Berge liegen auf halber Höhe bereits im Sonnenlicht, unter über den dunklen Schieferhäusern sehen die Straßen von der reinen Spiegelung wie entflammt aus. Gegenüber sticht ein hoher, steiler Felsen heraus, eine quadratische Stirnseite aus grauem Stein, die auf einem niedrigeren Rücken emporragt. Der Horlá. P hat ihn schon zuvor auf Fotos gesehen. Er will gerade die Luft genüsslich einsaugen, als ihn der Blick der Blonden von der Glastür her trifft. Sie kommt gerade mit einem vollen Eimer zurück. Diesmal kann man ihre sehr hellen, blauen Augen ebenso sehen wie die tiefen Falten im Gesicht. P grüßt zum Abschied und will losstiefeln. Sie redet ihn an, als er bereits ein paar Schritte weit entfernt ist.
»Hey, you!«, raue, volle Stimme. »What are you looking for ’round here?«
P dreht sich, wo er gerade steht, um: »Verzeihung, ich kann Sie nicht verstehen …«
»You understand perfectly right, don’t fuck me. Where are you from?«
»Ich bin Spanier und spreche kein Englisch.«
»Ach nee? Und woher willst Du dann wissen, dass es Englisch ist …?«
P lächelt: »Na, ja, ich war als Kind in der Schule …
»So siehst Du auch aus …«, geneigter Kopf. »Und was hast Du hier zu suchen?«
»Arbeit.«
»Dann kannst Du gleich wieder abhauen, darling …
Hier gibt’s keine Arbeit für Dich. Schon gar nicht für solche Hände, du Pinkel.«
P schaut auf seine sauberen, ordentlich geschnittenen Fingernägel und lächelt wieder.
»Mag sein, aber dafür habe ich starke Arme …«
»Oho … Da haben wir wohl viel Zeit in der Gym verbracht,
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