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Im Namen Des Schweins

Titel: Im Namen Des Schweins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pablo Tusset
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Zuerst einer um die dreißig. Er hat seine Haare ausgebleicht, ist vollschlank und hat blaue Augen. Hänsel ohne Gretel. Er setzt sich mit an den Tisch vom Goliath und dem tapferen Schneiderlein. Auf den Stuhl, der dem Jüngeren gegenübersteht. Dadurch sitzt er mit dem Rücken zum Fernsehapparat. Als er den Mund aufmacht, klingt es auf die Ferne nach einem französischen Akzent. Während er es sich an dem Tisch gemütlich macht, wirft auch er P einen Blick zu und wünscht einen »Bon appétit«. P hebt seine Hand und lächelt. Zweifellos der Tierarzt.
    Wenig später gesellt sich noch ein vierter hinzu, der so um die dreißig sein dürfte: blaugefärbte Haare und eine irrsinnig auffällige Narbe, die ihm über ein Augenlid und quer durchs Gesicht läuft. Der Schlachter. Sein Foto hat P in der Polizeiakte gesehen. Der französische Hänsel ohne Gretel begrüßt ihn mit viel Theater. Der mit der Narbe nimmt sich den vierten Stuhl am Tisch. Kurz darauf wird er von Goliath angeblafft, weil er diesem die Sicht auf den Bildschirm verstellt.
    Der mit der Narbe wehrt sich mit: »Sag mal, spinnst Du, Du Idiot. Es wäre ja wohl gelacht, wenn man sich hier nicht mehr hinsetzen dürfte, wo es einem gefällt.«
    Er gibt ihm einen Klaps auf die Schulter, der klingt, als hätte er eine Mücke auf einem Sandsack erschlagen. Dann zieht er an den Tisch daneben, von wo aus er weiterhin der Unterhaltung zwischen Hänsel und Schneiderlein folgen kann. Stille kehrt jetzt nur noch einmal ein, um Rotkäppchen zu lauschen, die ihnen das Tagesangebot aufzählt: »Ich wüsste ja gern mal, wofür ich mir jeden Tag die Mühe mache und euch die Tagesgerichte auf die Tafel schreibe.« Bisweilen ufert die Unterhaltung in ein einziges Geschrei aus, vor allem, wenn der mit der Narbe und das tapfere Schneiderlein miteinander zanken: »Sag mal, du alter Pfaffe, Du willst Du uns doch nicht etwa erklären, was wir hier drin tun und lassen dürfen …?« Für einen kurzen Augenblick schauen die drei Männer zu Ps Tisch hinüber, der so tut, als hätte er das nicht bemerkt.
    Dann ist nichts mehr zu hören, bis sie jemanden begrüßen, der als Letzter in die Wirtschaft hineinkommt: um die vierzig, in schwarzen Kunstlederhosen, übertrieben wiegender Gang, eine Tolle, die ihm in die Stirn fällt. Als er P an dessen Tisch wahrnimmt, wird der Gang noch weicher und schwungvoller: »Ach du Scheiße, der Rito, seit wann treibst Du Dich denn um diese Zeit hier herum?«, fragt der mit der Narbe. Der Neue beachtet ihn gar nicht. Er kommt nur an den Tisch, um dem Goliath etwas zu sagen und verlässt dann sofort wieder das Lokal. Nicht ohne P noch einen Blick zuzuwerfen.
    Als er das Hauptgericht verputzt hat, bringt ihm Rotkäppchen einen Quark und ein Gläschen Honig an den Tisch. P sagt zu ihr, dass ihr Hühnchen sehr lecker gewesen sei. Darauf scheinen sich ihre Wangen noch stärker zu röten. »Ja, das gelingt mir gut«, sagt sie ein wenig verlegen. Man sieht, dass sie so ein Lob nicht alle Tage bekommt. P bestellt sich noch einen Kaffee und raucht eine Zigarette. Als er sich die Strickjacke überstreift, um wieder zu gehen, vergisst das tapfere Schneiderlein die Unterhaltung an seinem Tisch und schaut ihn ohne Umschweife lange an. Dann greift er zu der halb aufgerauchten Faria, die der Goliath für einen Moment auf dem Aschenbecherrand liegen ließ und nimmt mit seinen weichen Lippen einen vollen Zug, während er P weiterhin ansieht. Der Goliath merkt es und nimmt ihm die Zigarre sofort aus der Hand. Dann begutachtet er sie eingehend, als würde er nach irgendeinem Makel suchen, der durch unsachgemäßen Gebrauch entstanden ist, und raucht sie weiter.

In der Welt
    Rodero unterstreicht die drei Namen an der Tafel, bevor er sich wieder zum Konferenztisch dreht.
    »So weit, so gut. Wir dürfen uns natürlich nicht ausschließlich auf die drei Typen beschränken, von denen eben die Rede war, sondern das Ziel unseres verdeckten Ermittlers muss sein, sich so nahtlos wie möglich vor Ort zu integrieren. »Berganza, könnten sie uns abgesehen von allem, was bereits gesagt wurde, ein kleines Dramatis personae von den Nachbarn liefern? Ich bin mir sicher, dass Sie genug Gelegenheit hatten, sich reichlich Notizen zu machen …«
    Berganza übernimmt wieder, ohne sich dieses Mal ans Notizbuch zu klammern.
    »Also, für mich unterteilen sich die Einwohner klar in zwei Gruppen: Die Mehrheit von ihnen, etwa dreihundert Leute, sind diejenigen, die auch im Ort geboren wurden.

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