Im Namen Des Schweins
können, ist es für sie das Höchste, die dann die ganze Nacht über ordentlich zu demütigen …« Sie ist einen Augenblick still und lächelt. Diesmal ohne jegliche Durchtriebenheit. »Hör nicht auf mich, ich glaub, ich fang an, Mist zu erzählen …«
»Ach was, ich nehme mal an, dass es nicht leicht ist, sich hier einzuleben …«
»Du hast ja keine Ahnung … Manchmal habe ich eine solche Lust, mal wieder am Wochenende Lidschatten aufzutragen und mit einer Freundin auf Absätzen durch die Stadt zu staksen, zu shoppen, eine heiße Schokolade zu trinken und sich gegenseitig die neuesten Einkäufe vorzuführen. Mir steht es bis hier, immer nur Typen um mich herum zu haben. Mit Euch kann man überhaupt nicht richtig schnattern. Am ehesten noch mit dem Rito, aber der lässt sich unter der Woche eh kaum blicken.«
»Und was ist mit den Frauen aus dem Dorf? Da muss es doch welche geben, nicht?«
»Die schließen sie zu Hause weg … Das würde man bei den gefärbten Haaren gar nicht denken, was? Aber wir sind hier in den Bergen in einem Nest von dreihundert Einwohnern. Die Dorfmädels gehen nur mit ihrem Freund ins Café, nur mit ihm. Dann gucken die zusammen Fußball und nehmen sonntags bei den Spielen viel Platz weg und kichern blöd, wenn ihre Macker raushängen lassen, wie viel Testosteron in ihnen steckt. Echt, wie cheer leaders. Mit dem einzigen Unterschied, dass ihre Jungs hier mit den bunten Federn rumlaufen«, sie macht eine vielsagende Bewegung zu den Punk-Frisuren.
»Stimmt, ich habe heute an einem Tag mehr gefärbte Haare gesehen als in meinem ganzen Leben.«
Sie lacht ihn schief an.
»Das soll cool und modern aussehen. Wenn sie eines Tages merken sollten, dass Sid Vicious längst gestorben ist, fallen die in Ohnmacht …« Pause, sie beäugt P von oben bis unten. »Gut, nun erzähl Du mir mal ein bisschen … Was hat Dich denn hierher verschlagen? Du siehst ja nun auch nicht gerade aus wie ein Junkie … Und wie ein gemeiner Verbrecher verhältst Du Dich auch nicht. Hm, bist Du ein Fälscher? Oder ein Schwuler, den sie im Schrank gefunden haben? Ein Intrigant? Oder einer, der auf dem Schwarzmarkt alles zum doppelten Preis verkauft …?«
»Ach, das ist eine lange Geschichte. Jedenfalls suche ich im Moment echt Arbeit … Im Schlachthof oder auch sonst wo.«
Sie macht ein skeptisches Gesicht.
»Hältst Du das für so schwierig?«, fragt er.
»Hier gibt’s mehr als genug Arbeit, aber die werden sie Dir nicht geben, weil sie Dich nicht kennen. Und komm bloß nicht auf die Idee, ihnen ein Curriculum vitae vorzulegen … Sonst glauben sie noch, dass Du sie mit einer Geldstrafe belegen willst.«
»Aha … Und dauert es lang, bis sie einen kennen?«
»Kommt darauf an. Wenn Du gut bei ihnen ankommst, reichen ein paar Tage. Dann bist du akzeptiert. Wenn nicht … Tja, im schlimmsten Fall, machen sie Dich zum Selbstmörder. Du kennst ja den Gipfel des Horlá, oder nicht? Da wärst Du jedenfalls nicht der Erste. Hier ist noch ein Tipp: Falls Du echt hierbleiben willst, solltest Du nie versuchen, moderner zu wirken als sie. Dein Haarschnitt ist beispielsweise für sie so normal wie der von den Alten. Deine Mode ist hier noch längst nicht angekommen. Warte mal, der Franzose trägt sie auch kurz, aber wenigstens sind sie bei ihm ausgebleicht. Außerdem hat der auch einen Sonderstatus, weil der als Tierarzt hier ist und direkt zum Schlachthof kam …«
»Ich könnte es ja mal mit einem Hundehalsband versuchen und ein paar Sicherheitsnadeln …«
»Keine schlechte Idee für den Anfang … Vor allem solltest Du nicht mehr so viel lächeln, sonst sieht man gleich, dass Du Dir seit frühester Kindheit dreimal am Tag die Zähne geputzt hast.«
»Echt? Ich putze sie mir immer nur morgens; ich mag den Geschmack von den Zahnpasten nicht.«
»Ich auch nicht, die sollten mal eine rausbringen, die nach Latte macchiato schmeckt.«
P lacht.
»Ich heiße übrigens Pedro.«
»Ich Cristina, aber hier nennen mich alle die ›Schickse‹. Wie Du siehst, haben die eine überbordende Fantasie, was Spitznamen angeht. Ich kann Dir echt nur raten, so schnell wie möglich hier wieder abzuhauen. Aber das habe ich Dir ja schon gesagt. Solange Du Dich entscheidest, solltest Du aber auf jeden Fall noch oft hier vorbeikommen. Es macht Spaß, mal wieder mit jemandem zu reden, der mehr als Scheiße oder Arschloch sagen kann, auch wenn man mit Dir wahrscheinlich nicht über Klamotten quatschen kann.«
In diesem Augenblick
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