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Im Namen Des Schweins

Titel: Im Namen Des Schweins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pablo Tusset
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überhaupt, hört man nur Schritte.«
    »Hast Du denn mal irgendjemanden gesehen außer den Tauben?«
    »Nein … Zwei ältere Paare. Alle vier taubstumm.«
    »Siehst Du. Die sind seit Jahren da und gehen nie aus dem Haus. Niemand weiß, wo die herkommen oder was die den ganzen Tag über da drinnen veranstalten. Heidi ist der festen Überzeugung, es seien Hexenmeister. Ich nenne es: das Rätsel um die Tauben im Hostal.
    Eines von vielen. Sowie: das Rätsel um die Kirchturmuhr. Das Rätsel um die glücklichen Selbstmörder. Oder: das Rätsel um die geschlachtete Klatschtante … Stephen King sollte hier mal eine Zeit lang vorbeischauen … Also, wie steht’s? Interessiert Dich der Job immer noch?«
    »Ja, klar. Das müssen wir feiern. Was willst Du trinken? Ich lade Dich ein. Wollen wir eine Flasche Champagner köpfen?«
    »Danke, das ist lieb, aber wenn ich Champagner trinke, werde ich depressiv. Das erinnert mich an meine Zeiten in der Werbeagentur. Wenn ein Vertrag unterschrieben war, dann sind wir so richtig feist essen gegangen … Ich würde mich lieber auf ein Gramm von Dir einladen lassen. Der dazugehörige Cuba Libre geht dann aufs Haus.«
    »Hups, damit kann ich so gar nicht dienen …«
    »Ach, das ist kein Problem: Das Gramm wäre im Nu hier. Da müsste der Robocop nur mal schnell aufs Motorrad steigen und zurückkommen. Den hast Du bestimmt schon mal gesehen, nicht? Der sitzt den ganzen Tag vorm Café bei der Susi und trinkt Bier. Was wollte ich sagen? Ach, der ist genauso ein Idiot wie alle anderen.«
    »Ja, ja … Einer mit kurzen Hosen und Militärstiefeln …«
    »Genau der. Der zieht schon seit zwei Jahren keine langen Hosen mehr an. Weder im Sommer noch im Winter. Seit er nicht mehr als Wachschutz im Schlachthof arbeitet, hat er sich geschworen, nie wieder etwas anzuziehen, was ihn auch nur entfernt an eine Uniform erinnert. Weißt Du, was er macht, wenn es friert? Dann schmiert er sich die Beine mit Fett ein, damit sie ihm nicht abfrieren. Selbst wenn er mit seinem Scheißmotorrad durch die Gegend knattert. Ich schwöre es Dir Also, wie steht’s? Gehst Du mal bei der Susi vorbei und sagst ihm Bescheid?«
    »Na gut …«
    Heidi kommt herein. Ihre Aufmachung ist ungewöhnlich: Röckchen, Schminke … Schühchen mit Absatz, mit denen sie spielend auf über eins achtzig kommt.
    »Wauu!«, sagt Madame Bovary.
    »Guck mich nicht so an. Ich sehe total bekloppt aus.«
    »Wo willst Du denn hin?«
    »Ins Tal. Hab ’ne Bewerbung. Die suchen in der Gemeinde eine Englisch-Lehrerin. Hast Du ein Schlückchen Wodka für mich? Das wäre jetzt fein.« Sie schaut P an: »Immer noch da, Mr. Bond?«
    »Ja, immer noch.«
    »Pech für Dich, Du Idiot …«
    Madame Bovary schenkt der Heidi ein Gläschen mit kaltem Moskovskaya ein, den sie aus dem Kühlschrank holt. Heidi trinkt ihn mit einem Schluck aus, verzieht das Gesicht … Aaaaaahg … Stellt das Glas mit einem Schlag hin und sagt zu P: »Komm her, Mr. Bond, ich brauche einen Kuss, der mir Glück bringt.«
    Sie geht zu ihm hinüber, packt ihn am Nacken und zieht sein Gesicht an ihres heran. P hält dagegen und legt eine Hand hochkant an ihre Kehle. Ihr bleibt nichts anderes übrig, als den Druck nachzugeben. Daraufhin lässt sie seinen Nacken los, tritt einen Schritt zurück und gibt ihm eine saftige Ohrfeige zur Strafe.
    »Du Idiot, weise ja nie eine Frau zurück, die Dich küssen möchte.«
    P denkt kurz darüber nach: »Bisher steht ja noch nicht einmal fest, Mrs. Heidi, ob Du wirklich eine Frau bist.«
    »Ach nein: Und was ist das, du Schlappschwanz?« Sie hebt ihren feinen rosafarbenen Wollpulli hoch und zeigt ihm ihre nackten Brüste, lässt sie vor seiner Nase hin und her schwabbeln und lacht dabei auf eine Weise, die selbst die Taubstummen verschreckt hätte.
    ***
    Dienstag. Am späten Nachmittag in der Genossenschaft. Der Metzger trinkt allein seinen Whisky, P trinkt ein Bier mit Sankt Martin, der auf den Robocop wartet, um in dem kleinen Lieferwagen, den ihnen der Franzose borgt, ins Kingdom zu fahren. Kurz darauf erscheint der Robocop in einem alten grauen Mantel, unter dem nur seine Militärstiefel zu sehen sind und die stacheligen Beine. Sankt Martin schlägt P vor, mit ihnen ins Kingdom zu kommen. Und »sei es auch nur, um Dir einen hinter die Binde zu kippen«, wie er sagt.
    So dass P die Einladung annimmt. Er fährt hinten im Laderäumchen mit und sitzt auf dem Boden. Der Ort ist ungefähr vierzig Kilometer entfernt. Sie brauchen fast eine

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