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Im Namen Des Schweins

Titel: Im Namen Des Schweins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pablo Tusset
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Kilometer 17 ist ihm ein weißer Mercedes-Laster auf der Gegenfahrbahn entgegengekommen; aufgrund eines plötzlichen Fahrmanövers ist der Lastwagen von seiner Fahrbahn abgekommen und mit dem Personenwagen zusammengestoßen, in dem Ihr Mann saß, der an den Folgen des Aufpralls verstorben ist.« Besonders wichtig ist der Schluss: »der an den Folgen des Aufpralls verstorben ist«. Als wäre der Tod eine Konsequenz, das heißt, als hätte er einen bestimmten Sinn, eine Erklärung und vor allem als wäre er schnell eingetreten, ohne Todeskampf, ohne Schmerzen und ohne Zeit, über alles nachzudenken. Der Kommissar hingegen hat Zeit zum Nachdenken, trotz des schnellen Blutverlustes und der fortschreitenden Luftnot. Er muss immer wieder tief und schmerzvoll nach Luft schnappen. Zeit zum Nachdenken ist sehr gut. Obwohl die besten Überlegungen und Erwägungen nichts nutzen, weil es ein paar Verkehrsbeamte sein werden, die seiner Frau die Nachricht unterbreiten. Erfahrene Leute in solchen Dingen. Sie werden erst einmal dafür sorgen, dass sie sich hinsetzt. Dann werden sie ihr einen kleinen Bericht zusammenfassen, der viele unwesentliche Details enthält, um ihn dann mit knappen, präzisen Worten zu beenden: »an den Folgen des Aufpralls verstorben«. Dann werden sie alles dafür tun, um sie ein wenig abzulenken. Sie werden ihr etwas Wasser zu trinken geben oder irgendetwas anderes.
    Me gusta la mañana y me gustas tú … Der Kommissar sieht sie lautlos weinen, und auch er weint jetzt lautlos. Nur dass sich die Tränen kopfüber hängend nicht zur Schwerkraft hin vergießen, sondern in den Augen stauen. Qué voy a hacer, je ne sais pas / qué voy a hacer, je ne sais plus … Er sieht sie vor sich, wie sie sich Vorwürfe macht. Wie konnte sie sich dazu überreden lassen, dass er die Wohnung streicht … Wieso hat sie ihn allein ins Industriegebiet fahren lassen, um das Material zu besorgen … All das wegen eines Spleens, einer Dummheit: einer Nacht im Ritz. Man muss ihr sagen, dass diese Dinge passieren können, dass sie unvorhersehbar sind, man muss irgendeinen Scherz machen, um ihr zu helfen, diese Gedanken aus dem Kopf zu bekommen.
    Der Kommissar weiß, wie man mit ihr in solchen Fällen umgehen muss. Er könnte sie sicher trösten. Er sieht die Szene vor sich, wie er sie umarmt und ihr einen Kuss auf die Stirn gibt. Aber dann wird ihm bewusst, dass er dieses Mal nicht bei ihr sein wird, um sie zu trösten: Plötzlich wird ihm bewusst, dass er der Tote sein wird, Qué voy a hacer, je suis perdu …
    In diesem Augenblick, genau um Punkt ein Uhr am Tag vor Allerseelen, löst das Weinen in seiner Brust den Atem- und Kreislaufstillstand aus. Er muss Blut erbrechen. Als er in Anbetracht eines so unerhörten Schmerzes wie dem, sich sterben zu fühlen, Mund und Augen öffnet, haucht der Kommissar sein Leben aus.

In der Hölle
    An einem Morgen am Tresen der Genossenschaft. Niemand ist da, außer P und der hochschwangeren Nieves. P trinkt zum Frühstück einen Café cortado. Nieves hat sich einen Milchkaffee gekocht und setzt sich schwerfällig auf einen Barhocker hinter die Theke, um ihn in Ruhe zu trinken
    »Wie gefällt es Dir im Pub?«
    »Gut … Bis auf das eine Mal, als die vom Tal heraufgekommen sind, aber sonst gut.«
    »Und Kainsmal? Macht der Dir nicht die Hölle heiß?«
    »Er provoziert immer wieder, aber bis jetzt ist noch nie wirklich was passiert.«
    Sie trinkt einen Schluck Kaffee.
    »Hast Du vorher schon mal als Kellner gearbeitet?«
    »Ehrlich gesagt, nein. Aber man muss ja eigentlich auch nur aufmerksam sein und ein bisschen freundlich.«
    »Alle sagen, dass Du nett bist und arbeiten kannst. Die Schickse dagegen können sie alle nicht ausstehen, weil sie wohl nicht in die Hufe kommt.«
    »Die ist ein bisschen ausgebrannt. Sie steckt ja auch jeden Tag zehn Stunden da fest. Ich mache bloß zwei Abende und die verfliegen im Nu.«
    Ein paar Sekunden verstreichen: »Und hättest Du Interesse, ein paar Stunden mehr pro Woche zu machen?«
    »Ja, schon … Ich habe mich auf die Warteliste im Schlachthof setzen lassen als Packer.«
    »Da würde ich mir nicht allzu große Hoffnungen machen … Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass die sich melden. Ich könnte aber hier zur Zeit jemanden für die Vormittage gebrauchen. Du siehst ja: Ich bin kugelrund. Termin ist Mittwoch. Rito kann immer nur kommen und mir helfen, wenn er im Schlachthof frei hat. Ich könnte also jemanden von Montag bis Donnerstag gut gebrauchen. Das

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