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Im Namen Des Schweins

Titel: Im Namen Des Schweins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pablo Tusset
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seiner linken Hand. Durch den Anblick wird ihm schwindlig. Er schließt erneut die Augen und versucht tief zu atmen. Das geht nicht, denn mit einem Mal spürt er doch noch einen heftigen Schmerz in der Brust. Qué horas son en Mozambique / qué horas son en el Japón … Mit geschlossenen Augen vergewissert er sich, dass er den rechten Arm ziemlich normal bewegen kann. Er tastet mit der rechten Hand den Kopf ab. Als er etwas Weiches an der rechten Schläfe spürt, überkommen ihn die schlimmsten Befürchtungen. Mit aller Kraft wünscht er sich, das Bewusstsein zu verlieren und erst in einem Krankenhaus wieder aufzuwachen.
    Aber die Schwierigkeiten beim Luftholen lassen es überhaupt nicht ratsam erscheinen, sich der ungeheueren Müdigkeit hinzugeben. Er muss wach bleiben, um mit knappen und schnellen Atemzügen Luft zu bekommen. Durch seine Haltung kopfüber bleibt das Hirn gut durchblutet. Sein Denken ist klar. Dann beginnt es, Blut und weiße Farbe zu regnen. Die Blutstropfen kommen aus irgendeinem Teil seines Unterkörpers, der mit den Füßen nach oben steht und die Farbe aus einem der aufgeplatzten Farbeimer. Cinco de la mañana en La Habana, Cuba … In einem Reflex schaut er an sich hinunter (oder hinauf), aber durch das Durcheinander an Materialien und halb aufgepumpten Airbags kann er nur bis zur Hüfte sehen, weit genug, um das rotweiß getränkte Hemd wahrzunehmen und die vierkantige Aluminiumstange, die unterhalb des Brustbeins zwischen den Rippen steckt. Mit der rechten Hand versucht er die Aluminiumsprosse zu bewegen und merkt, dass sie fest im Körper steckt. Sie sitzt sogar so tief, dass er spürt, wie die Spitze in seinem Rücken am Sitz kratzt. Das ist der Moment, in dem der Kommissar begreift, dass er sterben wird. Es ist vermutlich nur noch eine Frage von Minuten. Und er sieht keinen Film von seinem Leben vor dem Auge vorüberziehen: Was er sieht, ist seine Frau, die am Tisch in der Küche in ihrer Wohnung sitzt und auf ihn wartet, mit den Fleischklößchen im Topf, die immer wieder kalt werden, und die sich immer mehr Sorgen macht, weil ihr Mann nicht nach Hause kommt. Das Bild ist so unerträglich, dass der Kommissar versucht, sich zu bewegen, sich zu befreien, aber bis auf den Kopf und den rechten Arm hat sein Körper aufgehört zu existieren. Er spürt ihn nicht mehr. Erst recht kann er ihn nicht mehr bewegen.
    Der Regen aus Blut und Farbe wird immer heftiger.
    Qué horas son en Washington … Was er noch vermag, ist eine Taste des Telefons zu drücken, damit der Bildschirm angeht. Und dann den Knopf im Verzeichnis, um die Nummer unter »Calabrava« auszuwählen. Er überlegt einen Augenblick. Bevor er versucht, die Verbindung herzustellen, will er seine Stimme ausprobieren: »Hallo, ich bin’s …«, versucht er laut zu sagen.
    Natürlich kann er nicht normal sprechen. Kaum ein Wispern kommt heraus. Er sitzt kopfüber und sein Zwerchfell, das von der Aluminiumsprosse durchbohrt ist, gibt nichts mehr her. Er ist nur noch ein denkender Kopf und ein beweglicher Arm. Was kann man seiner Frau mit einem solch pathetischen Flüsterton sagen?
    »Ich liebe Dich?« Und was antwortet man, wenn sie aufhorcht und fragt, was passiert ist: »Nichts, ich hatte einen Unfall und jetzt liege ich hier im Auto im Sterben?« Er denkt an die Leute, die aus dem World Trade Center heraus ihre Familien anriefen. Wenigstens konnten die meisten von ihnen normal reden. Sie konnten lügen oder ihre Frauen beruhigen oder ihre Väter, Ehemänner oder Kinder. Sie konnten sich erhaben gefasst zeigen, zehn Minuten bevor sie aus einem Fenster springen würden: »Ein Flugzeug ist in das Gebäude geknallt, mach Dir keine Sorgen, mir geht’s gut, ich liebe Dich über alles.« Was hätte er gern gesagt: »Versuche, ohne mich glücklich zu sein; und sag Tomas, dass er im Morddezernat aufhören und sich um sein eigenes Glück kümmern soll.« Da fällt ihm der Zettel ein, der in der Brieftasche liegt, auf dem der Name von Susana Ortega steht und zwei Telefonnummern. Er wird es Tomas nie ausrichten können. Womöglich wird Tomas erst Wochen oder Monate später von seinem Tod erfahren. Seine Frau dagegen wird es in wenigen Stunden wissen. Er überlegt, wie die Verkehrspolizei gewöhnlich die Familienmitglieder vom Tod eines Angehörigen bei einem Verkehrsunfall unterrichtet. Am wichtigsten ist es, die Nachricht in eine kleine Geschichte zu verpacken: »Ihr Mann fuhr auf der Land-Straße C-78 Richtung Norden; auf der Höhe von

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