Im Namen Des Schweins
Dann dreht er sich um und geht die Treppe wieder hinunter.
In seinem Hotelzimmer blättert er im Index seines Stadtführers nach. Shoppen und Günstige Kleidung. Mit einem Stift markiert er mehrere Adressen: Daffy’s am Herald Square; Filene’s Basement in der 6. Ecke 18. Dann geht er wieder hinunter auf die Straße, lässt sich an der Penn Station von der U-Bahn verschlucken und taucht in der Canal Street wieder auf. Dort kauft er einem Farbigen eine Uhr für fünf Dollar ab. Sie hat ein schickes schwarzes Ziffernblatt. Dann kauft er einen elektrischen Rasierer auf einem chinesischen Basar.
Während er den Broadway hinaufgeht, um zu Fuß bis zur 18. zu laufen, isst er ein Stück Pizza. Ein langer Spaziergang durch alle Farbtöne dieser Welt. Auf der Höhe von SoHo fährt ein schwarzer Jeep ohne Verdeck und Windschutzscheibe langsam an ihm vorbei. Darin sitzen zwei riesige Skinheads mit rosiger Haut. Der eine steckt von Kopf bis Fuß in einer schwarzen Militäruniform. Der muskulösere von beiden steuert mit einer Hand das Lenkrad, wodurch die Trizeps an seinem angewinkelten Arm zur Geltung kommen. Der andere ist einfach überproportioniert, ein Polarbär mit einer fetten Fleischschwarte im Nacken. Zwischen dem glänzenden Stiefelschaft und seinem Hosenbein ist eine Hakenkreuz-Tätowierung zu sehen. Beide suchen den Blick der Fußgänger. Das ist etwas Unerhörtes in dieser Stadt. Zweifellos eine Provokation.
T, der auf dem letzten Bissen seiner Pizza herumkaut, bleibt stehen und fixiert das Gesicht des Polarbären. Er dreht sich sogar mit ihnen um, als das Auto vorbeifährt. Er schaut ihnen in die Augen und kaut dabei in aller Ruhe. Der Bär, der auf die seltsam rotierende Reglosigkeit des Passanten auf dem Bürgersteig aufmerksam wird, lässt den Blick über ihn gleiten, aber schaut ihm nur für einen Bruchteil von Sekunden in die Augen, sonst tut er so, als würde er etwas in seiner Nähe fokussieren. Dann wendet er den Blick sofort wieder ab. Als betrachte er weiter hinten etwas und dann schweift der Blick in die Ferne. Der Fahrer mit den Trizeps, der von dem Blickwechsel nichts mitbekommt, fährt langsam weiter Richtung Union Square. T spuckt den letzten Bissen in einen Mülleimer. Der Adrenalinstoß sorgt dafür, dass er nicht schlucken kann. Dann verpasst er aus einem inneren Drang heraus dem Mülleimer einen Schlag, so dass einige Papiere herausflattern. Einzelne Passanten nehmen etwas Abstand, weil sie Ärger riechen. T aber genügt es, ein paar Schritte weiterzugehen, um in der allgemeinen Betriebsamkeit wieder unterzutauchen und nicht mehr wahrgenommen zu werden.
An der 18., als sich seine Gefühlswallung mittlerweile gelegt hat, geht T in einen T. J. Maxx. Er sucht die Abteilung mit den Hemden. Hunderte hängen dicht nebeneinander. Es sind billige Restbestände von bekannten Marken, die sogar er kennt, obwohl er sich nicht für Designerklamotten interessiert. Bei einem dunkelroten, sehr farbintensiven Hemd, muss er an das Vögelchen im Garten neben der Bibliothek denken. Er legt es, ohne lange zu überlegen, in seinen Korb. Dann wählt er zwei Paar Hosen aus, die er gar nicht erst anprobiert, weil er keine Umkleidekabinen sieht. Einen grauen Anzug aus einem guten Stoff und zu guter Letzt noch ein irisches Jackett, das zu beiden Hosen passt. Damit erklärt er seine Einkaufstour für beendet. Die passenden Schuhe findet man ja nicht in Bekleidungsgeschäften.
Bepackt mit zwei riesigen Plastiktüten verlässt er das Gebäude. Die Tüten sind so dünn, dass er fürchtet, sie könnten jeden Augenblick reißen. Da er keine Lust hat, mit seinem Gepäck in die U-Bahn zu steigen und es eine ungünstige Zeit ist, um ein Taxi zu bekommen, läuft er die fünfzehn Straßen weiter Richtung Norden hinauf, bis er den schwarzen Turm vom Madison Square Garden erkennt. In der Eingangshalle des Hotels möchte der Sicherheitsbeamte seine Karte sehen. Er ist genauso groß wie der vom Vormittag, nur diesmal weiß und blond. T stellt nicht einmal die Tüten ab, sondern schaut ihm nur eine Sekunde lang mit hochgezogenen Augenbrauen direkt in die Augen. Der Mann atmet tief durch: Okay, okay, I know …
In der Welt
Um zehn Uhr vormittags öffnet der Plattenladen. Er ist leer, bis auf zwei Verkäufer, die der Kommissar hinter dem Ladentisch plaudern sieht. In der Nähe des Eingangs hängt eine digitale Anzeige mit der Liste der zehn meistverkauften Alben. Der Kommissar kennt keines davon. Er schlendert zwischen den
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