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Im Namen Des Schweins

Titel: Im Namen Des Schweins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pablo Tusset
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Revolverheld die imaginäre Knarre, hält sich das Ding an die eigene Stirn und lässt mit rauchiger Stimme einen Wortschwall los, bevor er den Pistolenschuss hört: bang, bang.
    T hat überhaupt nichts von dem Witz verstanden, aber die zwei Frauen lachen sich auf ansteckende Art und Weise schlapp. Besonders als sie versuchen, das Gegacker nach wenigen Sekunden wieder zu unterdrücken, um vor T die Form zu wahren. T kann nicht verhindern, dass er von einem Ohr über das andere breit grinst, was sicherlich eher ein wenig dümmlich aussehen dürfte.
    »Entschulden Sie … Dieser Herr wird denken, wir hätten sie nicht mehr alle …«, sagt die Keaton und hält sich immer noch eine Hand vor den Mund.
    »Ach was … Der Witz scheint gut gewesen zu sein«, sagt T.
    »Entschuldigen Sie … Es …«
    Beide brechen wieder in Gelächter aus. Diesmal machen sie dieses nasale Geräusch, das entsteht, wenn man versucht, das Lachen zu unterdrücken; was die Albernheit der beiden natürlich nur noch zusätzlich anheizt. Das Mädchen im irischen Kleid steht mittlerweile wieder aufrecht auf ihren Absätzen. Ihre Figur wird durch das Kleid betont. Sie erweist sich nun als die Wunschvorstellung eines jeden Schneiders: Alles sitzt exakt am rechten Fleck, so wie man es sich nicht schöner hätte erträumen können. Gleichzeitig sieht das junge Model so aus, als könne man mit ihr eine Szene mit Cary Grant drehen. Die beiden beim Aperitif. Es ist unwiderstehlich, sie von Kopf bis Fuß in dieser Kleidung anzuschauen. T fühlt sich plötzlich unsicher. Erstens hat er den Witz nicht verstanden und kann deshalb nicht richtig mitlachen. Zweitens trägt er ungeputzte Schuhe und ein Militärhemd für sieben Dollar, das er sich an so einem Stand auf der 34. besorgt hat. Das Einzige, was ihn tröstet: Er hat nicht so schmale Schultern wie Cary Grant und auch keinen so krummen Rücken.
    »Ähm, also«, sagt die Keaton und versucht, sehr ernst und normal zu reden. »Aaah, Suzanne«, sagt sie zu dem Mädchen und redet jetzt auch mit ihr auf Spanisch, »dieser Herr würde sich gern etwas genauer über Aufenthaltsstipendien informieren. Er ist ein Mitarbeiter, Spanier, Chefinspektor. Wärest Du so lieb und würdest Dich darum kümmern?«
    Das junge Mädchen im irischen Kleid wendet sich nun ganz offen an T. Sie macht eine Handbewegung, als trockne sie sich eine Träne ab: »Entschuldigen Sie mich bitte noch für eine Minute. Meine Wimperntusche ist sicher im Eimer …« Sie zeigt auf einen Tisch im Büro. »Möchten Sie sich in der Zwischenzeit schon mal setzen? Ich bin gleich bei Ihnen.«
    T hat das Gefühl, dass sie mit einem trockenen, dichten Akzent aus dem Norden Spaniens spricht. Aber vor allem sieht er in diesem Moment eine verblüffende Ähnlichkeit.
    ***
    Beim ersten Gespräch im Instituto de Estudios Aplicados findet T bereits einige persönliche Dinge über die junge Dame im irischen Kleid heraus. Zunächst einmal, dass sie Suzanne heißt: Suzanne Ortega (»Wie Ortega y Caset, der Erfinder des Tonbandgeräts«, eine Bemerkung von ihr am Rande). Des Weiteren ist ihr Vater Spanier und ihre Mutter Irin (dazu macht sie rhythmische Bewegungen mit dem Kopf und lässt zwei Finger über den Tisch tanzen als wären sie die Beine einer keltischen Ballerina). Und sie ist seit drei Monaten in der Stadt und wohnt mit zwei Mädchen zusammen. Irgendwo zwischen Chelsea und dem Village. Das wird nicht weiter spezifiziert. Schließlich hört er heraus, dass auch sie nicht gern mit Plastikbesteck isst, was sie damit veranschaulicht, dass sie ein imaginäres Fleischklößchen aufzuspießen versucht, bis es angsterfüllt vom Teller rollt und zu guter Letzt über den Tisch hüpft: pling, pling, pling.
    All diese Informationen entnimmt er während des Ausfüllens des Fragebogens eingestreuten Bemerkungen. Die Fragen wiederum übersetzt das Mädchen nach und nach und füllt mit den Antworten dann das Formular aus. Infektionskrankheiten? Keine. Aktuelles Gewicht? Siebenundachtzigeinhalb. Änderungen im Familienstand? Nein. Kinder seit der letzten Aktualisierung der Daten? Äußerst unwahrscheinlich. Die meiste Zeit über macht sie dazu irgendwelche Faxen. Zum Beispiel veranschaulicht sie »Infektionskrankheiten«, indem sie ihr Gesicht vollständig in Falten legt und durch eine besondere Stellung der Nasenflügel und Finger jemanden nachmacht, der besonders darauf achtet, so wenig wie möglich mit etwas in Berührung zu kommen. Die Befragung erweist sich als

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