Im Namen Des Schweins
Beim Herauskommen sucht er nach der Tür: INSTITUTO DE ESTUDIOS APLICADOS steht auf Spanisch auf dem Schild. Er drückt die Klingel. Die Tür wird mit einem metallenen Geräusch freigegeben und im Inneren erwartet ihn eine hübsche Dame mittleren Alters, die hinter einer Empfangstheke sitzt. Diane Keaton an der Rezeption. Haarfarbe und Haut passen nicht recht zu einer Latina. T befürchtet, dass er sich ab jetzt mit seinem Englisch durchschlagen muss.
» Good morning … Excuse me, do you speak Spanish?«
» Na klar … Womit kann ich Ihnen behilflich sein?«, amerikanischer Akzent.
»Danke … Mein Englisch ist noch nicht besonders gut … Also: Ich bin ein Mitarbeiter aus Spanien, Inspektor … Mir wurde in Spanien gesagt, dass Sie für die Aufenthaltsstipendien des Ministeriums zuständig sind.«
»Ah ja … Haben Sie irgendeine ID zur Hand? Dann bräuchte ich noch den Code.«
»Ich habe meinen Ausweis und die Plakette dabei.« T sucht in seiner Brieftasche und holt sie heraus. »Meine Kennummer ist 245/B/987/400012«, er diktiert die Nummer langsam. Diana Keaton gibt sie in ihren Computer ein. Dann nimmt sie sich den Ausweis und vergleicht die Daten und das Foto.
»Ah ja … ist O.K. Die Kollegin, die dafür zuständig ist, befindet sich augenblicklich außer Haus. Wenn Sie einen Moment warten möchten …? Es wird nicht lang dauern. Sie ist bereits vor etwa zwanzig Minuten zum breakfast.«
Das Telefon klingelt und die Keaton entschuldigt sich, um abzunehmen. T zieht die Sessel in Erwägung, die für Besucher vorgesehen sind. Er hat aber gar keine Lust, sich zu setzen. Zum Zeitvertreib schaut er sich die Heftchen an, die in einem Ständer ausliegen. Dann geht er in das kleine Labyrinth der Bibliothek, das aus stattlichen Regalen im Flur besteht. Nach kurzer Zeit ist ein Klingeln an der Tür zu vernehmen. Er hört, wie die Keaton die Schließanlage betätigt. T hebt den Blick von den Bücherregalen, um zu sehen, wer kommt. Ein schlichter Reflex. Eine brünette, eher noch leicht rotblonde Frau geht zur Empfangstheke und redet auf Englisch mit der Keaton. Wie es aussieht, amüsieren die beiden sich prächtig. T kann ihr Gesicht nur sehr flüchtig erkennen, aber sie scheint noch sehr jung zu sein. Durch das grüne Kleid mit Schottenmuster sieht sie aus wie aus einem irischen Bilderbuch. Weiße Bluse, braune Schuhe mit Pfennigabsatz und eine kleine, dazu passende Tasche. T interessiert sich nicht länger für die Bücher. Er beobachtet die beiden durch die Zwischenräume in den Regalen. Ihre Haare sehen geschmeidig, trotzdem aber dicht aus, was man an der Locke sieht, die sie wie eine Heldin von Hitchcock hochgesteckt hat. Eine Frisur (und ein Kleid und eine Tasche und ein Paar Schuhe), die Frauen seit fünfzig Jahren nicht mehr tragen. Manche Frauen sogar schon länger nicht. Aber diese Frau da, die in dieser Verkleidung herumspaziert, sieht ganz so aus, als würde sie der Keaton einen Witz erzählen. Sie wiegt die Beine ein bisschen auf ihren Absätzen und legt die Hände an die Hüften, wie ein Cowboy kurz bevor er zieht.
T geht aus dem Gang mit den Bücherregalen heraus, um etwas mehr von dem Witz mitzubekommen oder um zumindest ein bisschen mehr von dem aufzuschnappen, was das Mädchen in dem irischen Kleid zum Besten gibt. Sie imitiert auf beachtliche Weise eine tiefe, männliche Stimme und redet wie ein Wasserfall. Seine Schritte sind jedoch beim Näherkommen zu hören. Zudem schweift Keatons Blick für den Bruchteil von Sekunden zu ihm herüber. Daher dreht auch das Mädchen in dem irischen Kleid ihren Oberkörper zu ihm um, während sie mit gebeugtem Rücken, ausgestrecktem Hintern und wippenden Beinen dasteht, ohne die imaginären Revolvertaschen loszulassen. Für einen Augenblick erinnert ihn ihr Gesichtsausdruck an Popeye. Eine Augenbraue ist hochgezogen, und mitten in ihrem schiefen Mund steckt vermutlich gerade eine imaginäre Zigarre. Sekunden später haben sich ihre Gesichtszüge geglättet. Sie hat sogar fast einen normalen Gesichtsausdruck angenommen und sagt mit ihrer weiblichen Stimme zu T: »O.K., just a minute: it’s just a joke.«
T hat begriffen. Ihm fällt aber so schnell nichts auf Englisch ein, so dass er sie anlächelt und nickt. Das Mädchen im irischen Kleid setzt daraufhin wieder ihr Popeye-Gesicht auf, um der Keaton den Witz zu Ende zu erzählen, die wiederum so aussieht, als wäre sie kurz davor, in schallendes Gelächter auszubrechen. Jetzt zieht der vermeintliche
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