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Im Namen Des Schweins

Titel: Im Namen Des Schweins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pablo Tusset
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noch eine Weile. Das Buch von Hare ist noch immer über dem Zeigefinger zugeschlagen. Er fragt sich, ob ausgerechnet dieser Quique Aribau der Schriftsteller ist, dessen Buch er auf dem Tisch mit den Neuerscheinungen bei der FNAC durchgeblättert hat, und das ihm so anstößig und schlecht geschrieben vorkam. Er kann sich nicht mehr richtig an den Titel erinnern: irgendetwas mit »Geranien« … Er nimmt den Hörer wieder ab und drückt auf den Knopf, um sich mit Varela zu verbinden: »Varela, seien Sie so nett und schauen Sie mal, was Sie über diesen Quique Aribau herausfinden können, der gerade angerufen hat. Offenbar ist er Schriftsteller.«
    »Was genau möchten Sie wissen?«
    »Ach, nichts Bestimmtes. Schauen Sie einfach mal, was Ihnen in den ersten zehn Minuten so in die Hände fällt. Vielleicht finden sie auch etwas im Internet. Das reicht mir dann schon.«
    Der Kommissar öffnet das Buch von Hare. Er zwingt sich dazu, durchzuhalten. Die Lektüre ist unangenehm. Es gibt sogar Passagen, bei denen er sich sehr überwinden muss, weiterzulesen. Aber er hat sich vorgenommen, es ganz durchzulesen. Es widerspricht seinen Prinzipien, ein Buch in der Mitte aufzuhören. Zumindest wenn es kein Ratgeber ist. Aber es ist nicht nur das. Es ist auch sehr interessant, was er da liest. Beispielsweise scheint das Phänomen der »Psychopathen« und »Psychopathinnen« deutlich verbreiteter zu sein, als er gedacht hätte: Der Autor schätzt, dass etwa ein Prozent der Bevölkerung charaktertypische Züge aufweist. Nur ein kleiner Teil davon lässt sich allerdings zu Verbrechen hinreißen und ein noch geringerer Teil von ihnen wendet grobe Gewalt gegen Personen an.
    Diese letzteren aber sind zweifellos diejenigen, mit denen der Kommissar es normalerweise zu tun bekommt. Vergewaltigungen, brutale Überfälle … Besessene, die in der Lage sind, nur so zum Spaß jemanden zu verletzen oder zu töten … Häufig sind diese Leute auf den ersten Blick sehr anziehend. Der Kommissar weiß, dass die Nachbarn von Leuten, die sie wegen brutalster Verbrechen verhaften, häufig sagen, dass sie die Personen bisher nur als wunderbare Menschen kennengelernt haben. Wie oft schon waren diese Leute während eines Verhörs von solcher Liebenswürdigkeit, dass sie die abgebrühtesten Inspektoren fast um den Finger gewickelt hätten. Zu großen Teilen aber beschäftigt sich das Buch mit den anderen, die es niemals mit der Polizei zu tun bekommen: Diese sind zwar gleichermaßen destruktiv und zerstörerisch, aber weniger gewalttätig. Es sind die Leute, die eine lange Spur an Demütigungen und verletzten Gefühlen hinter sich herziehen, die aber niemand zur Anzeige bringen kann, weil sie dabei nie das Gesetz übertreten. Obwohl sie unsere basalen Vorstellungen von Menschlichkeit mit Füßen treten. Womöglich ist es also nur ein Prozent der Bevölkerung, denkt der Kommissar, der die restlichen neunundneunzig Prozent dazu zwingt, im Leben den anderen Menschen zu misstrauen. Mehr noch: Durch sie wird jede Form der Utopie unrealistisch. Zumindest, wenn sie auf der Voraussetzung beruht, dass der Mensch gut sei.
    Das Telefon klingelt. Varelas Taste blinkt: »Kommissar, es gibt ziemlich viel über diesen Aribau im Internet. Sogar auf Seiten aus anderen Ländern. Er wurde offenbar auch in andere Sprachen übersetzt. Ich habe ein paar Interviews gefunden, die Journalisten mit ihm gemacht haben. Dann noch ein paar Dinge, die er für die Presse gemacht hat. Sowie Verlagsankündigungen, Rezensionen, Ankündigungen weiterer Übersetzungen und eine Verfilmung seines letzten Romans …«
    »Wie heißt der …?«
    »Wie ich heim Düngen der Geranien über den Schlauch fiel. Und der Verlag: Lengua de Trapo …«
    »Ja … Das kenne ich … Da habe ich vor ein paar Tagen zufällig mal reingeschaut … Danke, Varela. Das reicht mir schon.« Er will gerade auflegen, als ihm etwas einfällt: »Warten Sie mal. Verbinden Sie mich bitte mit Berganza von der Mordkommission. Wenn Sie ihn nicht gleich an die Strippe kriegen, dann versuchen Sie es bitte immer wieder, und sagen Sie mir gleich Bescheid, wenn Sie ihn erreicht haben.«
    Der Kommissar steckt den Umschlag zwischen die Seiten und legt das Buch in eine Schublade des Schreibtischs. Genug von Psychopathen für heute. Er hat auch keine Lust, den Bericht von Berganza noch einmal durchzusehen. Geschweige denn den von Prades, dem Gerichtsmediziner, der wegen seiner Präzision mindestens so deprimierend ist wie das Buch von

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