Im Namen des Sehers -: Soul Seeker 3 - Roman (German Edition)
Sie wirft mir einen hoffnungsvollen Blick zu.
»Wir sind unterwegs zu dem Ort, wo ich Dace zuletzt gesehen habe – an der verzauberten Quelle.«
»Und was tun wir, wenn wir dort ankommen?«, will Xotichl wissen.
Im Bemühen, mehr Selbstsicherheit zu vermitteln, als ich eigentlich fühle, antworte ich: »Ich hoffe, eine von uns wird imstande sein, intuitiv etwas von der damals übrig gebliebenen Energie zu erfassen.«
»Ich weiß nicht, ob ich das verstehe.« Lita blickt skeptisch drein.
»Alles ist Energie«, sagt Xotichl. »Das hat mich Paloma gelehrt, aber du lernst es auch im Naturkundeunterricht. Und Energie ist ewig. Sie kann nie zerstört werden.«
»Aber sie kann transformiert werden. So habe ich den Schnee gemacht. Simple Alchemie – die Umwandlung von Energie.« Ich gehe weiter, indem ich meine Schritte leicht nach links wende und hoffe, dass es funktioniert.
»Simpel, was?« Lita trottet hinter mir drein. »Für euch vielleicht, aber nicht für jemanden wie mich.«
»Sei dir da nicht so sicher«, wendet Xotichl ein. »Es ist nicht so schwer, wie es aussieht, du musst nur das Konzept begreifen. Aber da Energie nie verloren geht, müsste das Gleiche ja theoretisch auch für die Energie von Ereignissen gelten.«
»Und das hat dir Paloma beigebracht?«
»Sie hat mir alles Mögliche beigebracht. Aber vor allem hat sie mir beigebracht, wie man die energetische Vibration von unbelebten Gegenständen und von allem Lebenden erfasst.«
»Dann konntest du also die ganze Zeit meine Energie sehen?«, fragt Lita, und man hört ihrem Tonfall an, dass sie nicht weiß, wie sie das finden soll.
»Ja. Und für den Fall, dass es dich interessiert, es ist ein toller Anblick.« Xotichl lacht.
»Wie auch immer«, sage ich, um wieder zur Sache zu kommen. »Der Punkt ist, dass jede Handlung einen dauerhaften Abdruck an dem Ort hinterlässt, wo sie stattgefunden hat. Aber Handlungen, die mit großen Emotionen vorgenommen wurden – voll von Wut, Trauer oder auch Liebe –, hinterlassen die stärksten Eindrücke. Also müsste eine Tat wie die, dass Cade mich getötet hat, und alles, was danach geschehen ist, auch einen starken Eindruck hinterlassen haben.«
»Aber wie sollen wir den erkennen?«, hakt Lita nach, die mit mir Schritt zu halten versucht. »Werden wir ihn vor uns auftauchen sehen wie ein riesiges Hologramm oder so?«
»Mag sein.« Ich zucke die Achseln. »Ich kann es nicht sicher sagen, da ich es noch nie gemacht habe. Ich weiß nur, wenn die alten Mystiker und die modernen Naturwissenschaftler recht haben, dann müsste das Ereignis noch hier sein und sich wiederholen.«
»Verschiedene Menschen sehen auf verschiedene Weise«, meint Xotichl. »Und manche werden es überhaupt nie sehen.«
»Aber was sind denn nun genau die unterschiedlichen Arten des Sehens?«, will Lita wissen.
»Etwas kann in richtigen Bildern erscheinen oder in Farben, die diese Bilder repräsentieren.« Xotichl zuckt die Achseln. »Oder auch in Worten und Klängen. Das Wichtige ist, dass du dich von vorgefassten Meinungen und Selbstzweifeln freimachst und es einfach ablaufen lässt.«
»Aber selbst wenn du etwas siehst, wie kannst du dann beurteilen, ob es echt ist? Ich meine, wie erkennst du, dass du ein echtes Ereignis vor dir hast, das noch einmal abläuft, und keine abgedrehte Halluzination oder Fata Morgana oder ein Trugbild? Wäre nicht denkbar, dass du so in deinen Erinnerungen an das, was passiert ist, gefangen bist, dass du anfängst, Sachen zu sehen, die gar nicht wirklich da sind?«
»Gute Frage«, sagt Xotichl.
»Aber du hast auch darauf eine Antwort?« Lita lacht.
»Allerdings.« Xotichl grinst. »Eine Fata Morgana ist das Ergebnis einer Luftspiegelung – oder der Ablenkung von Licht. Eine Halluzination ist, wenn du Dinge siehst, die gar nicht wirklich da sind. Ein Trugbild ist eher wie ein Zaubertrick – eine Art Vorspiegelung falscher Tatsachen.«
»Aber laut dieser Definition ist nichts von diesen Dingen wirklich.«
»Die meisten Leute sehen nie, was wirklich da ist. Sie sehen nur das Offenkundige und blicken nie hinter den Schleier.« Xotichl zuckt die Achseln.
»Wenn du nicht hinschaust, siehst du auch nichts«, sage ich und gebe damit auch noch meinen Senf dazu.
»Wollt ihr mich absichtlich durcheinanderbringen?«
»Jedenfalls, wenn das nicht funktioniert – Paloma hat auch Psychometrie mit mir geübt, also könnte ich das auch noch ausprobieren.«
»Und das wäre?«
»Die Fähigkeit, die auf Dingen
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