Im Namen des Sehers -: Soul Seeker 3 - Roman (German Edition)
hinterlassenen Energieabdrücke zu entziffern. Die können ziemlich intensiv sein. Na ja, ich weiß nicht, vielleicht kann ich einen Stein oder so was anfassen und abwarten, was sich ergibt.«
Lita schüttelt den Kopf und sieht mich an. »Kannst du das auch?«
Ich bleibe vor einem Wäldchen aus Bäumen mit dicken Stämmen und kahlen Ästen stehen. Ihre Anordnung ist das Einzige, was mir vertraut vorkommt. »Das Wichtigste, was mir Paloma je beigebracht hat, ist, dass eine Suchende lernen muss, im Dunkeln zu sehen und sich auf das zu verlassen, was sie tief in ihrem Herzen weiß.«
Lita stemmt eine Hand in die Hüfte. »Ihr behauptet also im Grunde, dass ihr zwar ein schweres Arsenal an irrwitzigen Zauberkünsten mitschleppt, aber am Ende auf euer Bauchgefühl baut?«
»Hat mich noch nie getrogen.« Ich stelle mich auf die Zehenspitzen, um zu sehen, was hinter den Bäumen liegt.
»Falls du das sagst, damit ich mich besser fühle, es hat funktioniert. Ihr zwei könnt ein bisschen einschüchternd sein mit euren ganzen sagenhaften Zauberkräften.«
»Jeder hat Zauberkräfte«, sagt Xotichl. »Du musst nur an sie glauben, ihnen vertrauen und sie trainieren.«
Lita will etwas erwidern, doch ich falle ihr ins Wort. »Ich glaube, da ist es.«
Ich renne los. Meine Stiefel hinterlassen tiefe Spuren im Schnee, als ich zwischen den Bäumen hindurch zur Lichtung husche, dicht gefolgt von meinen Freundinnen. Xotichl macht sich gleich ans Werk. Sie reibt die Hände aneinander und bückt sich, auf der Suche nach Kieseln oder größeren Steinen, irgendetwas, wovon sie etwas ablesen kann, während Lita fröstelnd neben mir steht.
»Wo genau ist es passiert?« Xotichl legt sich einen Stein auf die Mitte ihrer Handfläche und rollt ihn hin und her, ehe sie ihn gegen einen anderen austauscht.
Ich trete an die Stelle, wo mir Cade das Athame ins Herz gestochen hat, und breite weit die Arme aus, um ein besseres Gespür für meine Umgebung zu bekommen. Und da erkenne ich zum ersten Mal, seit ich hier bin, dass nicht nur Rabe abwesend ist. Die Luft ist so still, dass es scheint, mein Element Wind hat mich auch verlassen.
Doch die verzauberte Quelle ist noch da. Ihr Wasser ist vom Schnee gekühlt, doch wenn ich Glück habe, hat es seine Magie nicht verloren. Ich knie mich neben die Quelle und tauche beide Hände hinein, schöpfe Wasser, mit dem ich die Wunde auf meiner Brust reinige. Das Gemurmel meiner Freundinnen verklingt im Hintergrund, während ich im Stillen meine Entschlüsse darlege. Ich denke daran, wie Paloma gesagt hat, dass Entschlusskraft der wichtigste Bestandteil von Magie sei.
Ich will mich selbst heilen und stärken.
Ich will die Wahrheit darüber aufdecken, was hier passiert ist, nachdem ich weggegangen bin.
Ich will, dass mich diese Wahrheit zu Dace führt.
Und wenn Dace erst einmal in Sicherheit ist, will ich mich Cade entgegenstellen – und diesmal bringe ich ihn um.
Xotichl reißt mich aus meiner Versunkenheit. »Daire, komm mal her. Das musst du dir anschauen.«
Zwölf
Daire
X otichl umklammert mit beiden Händen den Griff eines blutigen Messers.
Mein Blut.
Mein Messer.
Das Messer, das Cade gegen mich gerichtet hat.
Ihre Hände beginnen zu zittern, und schon bald bebt sie am ganzen Leib. Als auf einmal ihr Kopf hin und her zu wackeln beginnt, kreischt Lita los. »Ist mit ihr alles in Ordnung? Müssen wir ihr irgendwie helfen?« Ratlos sucht sie meinen Blick.
»Fass sie nicht an«, warne ich sie und gehe langsam auf Xotichl zu, während Lita beiseitehuscht. »Ihr fehlt nichts. Sie sieht nur, weiter nichts.« Ich presse die Lippen aufeinander und hoffe, das stimmt.
Xotichl atmet zunehmend hektischer. Ihr Körper erschauert unter heftigen Zuckungen. Ich will gerade eingreifen, als ihr das Messer aus den Händen fällt und polternd vor unseren Füßen landet.
Lita schreit auf.
Xotichl hebt ihr Gesicht zu meinem und sagt mit ruhiger Stimme: »Es ist alles da. Ich könnte es dir erzählen, wenn du willst, aber ich finde, du solltest es selbst sehen.«
Ich halte die offene Handfläche über das Athame und konzentriere mich fest auf den Griff, doch das Messer bleibt hartnäckig liegen. Wahrscheinlich haben die letzten Tage auf dem Krankenbett meine telekinetischen Fähigkeiten ein bisschen einrosten lassen. Da mir keine andere Wahl bleibt, hebe ich es einfach ganz altmodisch auf, indem ich in die Knie gehe und die Finger darum schließe. Der Kontakt von Haut mit Holz genügt, um auf der Stelle eine
Weitere Kostenlose Bücher