Im Namen des Sehers -: Soul Seeker 3 - Roman (German Edition)

lange ich wegbleibe. Und sie hat es erstaunlich ruhig aufgenommen. Verdächtig ruhig. Also kannst du wahrscheinlich damit rechnen, dass sie binnen vier oder fünf Stunden vor deiner Tür steht. Na egal, wofür ist das hier?«, frage ich und zeige auf die Kissen.
    »Wir haben keine Zeit für eine Schwitzhütte, und ich weiß auch nicht, ob ich die Hitze verkraften würde. Das hier ist der beste Ersatz, den ich angesichts der Umstände besorgen konnte. Ich hoffe nur, es funktioniert.« Ihre Worte haben einen gehetzten Unterton, der mich ganz nervös macht. Sie bedeutet mir, mich auf eines der Kissen zu setzen, während sie selbst gegenüber Platz nimmt. »Ich weiß nicht, ob es klappt«, sagt sie, »aber ich muss es versuchen.« Ihre Stimme klingt dermaßen angespannt, dass mir ganz mulmig wird.
    »Paloma, was ist hier los? Was soll das?«, frage ich.
    »Ich will eine Verwandtschaftsübertragung versuchen, bei der ich dir alles Wissen weitergebe, das ich von meiner Mutter bekommen habe, die vor mir als Suchende gewirkt hat. Allerdings wurde mir das Wissen mündlich weitergegeben. Genau wie ich es Diego vermittelt hätte, wenn er länger gelebt hätte. Und genau wie ich es eigentlich dir vermitteln wollte, aber ich fürchte, uns rennt die Zeit davon.«
    Ich mustere sie eingehend und will unbedingt wissen, was hier wirklich gespielt wird. Warum mir alles, was sie sagt, kalte Schauer über den Rücken laufen lässt. »Paloma, gibt es irgendetwas, was du mir erzählen willst? Fühlst du dich nicht gut? Du machst dir Sorgen, weil ich bleich und dünn aussehe, aber das Gleiche könnte ich von dir sagen.«
    »Ich habe die letzten Tage mit Fasten und Beten für deine Rückkehr verbracht, weiter nichts, nieta . Jetzt, wo du wieder hier bist, kommt meine Kraft bestimmt zurück, also verschwende deine Energie nicht darauf, dir meinetwegen Sorgen zu machen. Ich habe nur gemeint, dass jetzt, wo alles so schnell geht, keine Zeit mehr bleibt, um dich mit denselben Methoden zu unterrichten, mit denen ich unterrichtet worden bin. Weiter nichts.« Sie nickt heftig, als wäre das schon alles, doch ihre Worte beunruhigen mich. »Ich habe noch nie auf diese Art eine Verwandtschaftsübertragung versucht. Und ich habe auch an keiner teilgenommen, die auf diese Art gemacht worden wäre. Trotzdem bin ich fest entschlossen, es zu schaffen, und es ist ja die Entschlusskraft, die am meisten zählt.«
    »Und was ist meine Rolle dabei?« Ich will unbedingt eine gute Schülerin sein und mein Möglichstes tun, damit alles klappt. »Was soll ich denn machen?«
    »Zuerst einmal sollst du die Augen schließen und die Handrücken auf die Knie legen, sodass deine Handflächen offen zur Decke zeigen.« Als ich mich entsprechend positioniert habe, spricht sie weiter: »Jetzt öffne deinen Geist und befreie ihn von allen Gedanken, so gut du kannst.«
    »Das ist nicht so einfach, wie es klingt.« Ich öffne verstohlen ein Auge. »Eine Stylistin bei einem der Filme, an denen Jennika mitgearbeitet hat, hat versucht, mir das Meditieren beizubringen, aber es hat nicht funktioniert. Ich konnte meinen Geist nicht zur Ruhe bringen.«
    »Keine Sorge. Gedanken sind ganz natürlich. Sie tauchen aus reiner Gewohnheit auf. Aber die meisten Gedanken sind bedeutungslos, kehren immer wieder und haben keinen wirklichen Wert oder Nutzen für dich. Wenn also ein solcher Gedanke auftaucht, brauchst du bloß seine Präsenz wahrzunehmen und ihn dann schnell wieder weiterziehen zu lassen. Wenn du ihm kaum Beachtung schenkst, verschwindet er von selbst. Du kannst jederzeit anfangen.«
    »Das ist alles? Ich sitze einfach bloß da und entsorge zufällige Gedanken?«
    »Nein, nieta .« Sie beugt sich zu mir und drückt mir ihre kühle, trockene Hand auf die Stirn. »Du sitzt einfach bloß da und empfängst. Ich mache den Rest.«
    Obwohl ich nicht genau weiß, was sie damit meint, dauert es nicht lange, bis ein Strom von Bildern durch meinen Kopf fließt. Zuerst bin ich etwas übertrieben wachsam. Weil ich mich unbedingt als erstklassige Empfängerin erweisen will, schiebe ich die Bilder rasch beiseite. Bis ich begreife, dass es tatsächlich Palomas Bilder sind, die sie mir schickt – eine Reihe uralter Soul-Seeker-Lektionen, die den Lauf der Jahrhunderte überdauert haben.
    Fasziniert sehe ich zu, wie unglaubliche Geschichten früherer Suchender, darunter die Rituale aus Palomas eigener Ausbildung, als sie in meinem Alter war, durch meinen Kopf wandern. Und ich muss wirklich darüber