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Im Namen des Sehers -: Soul Seeker 3 - Roman (German Edition)

Im Namen des Sehers -: Soul Seeker 3 - Roman (German Edition)

Titel: Im Namen des Sehers -: Soul Seeker 3 - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alyson Noël
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staunen, wie jung sie war, wie entschlossen, stark und begierig darauf, ihre Bestimmung anzunehmen – ganz anders als ich, die ich anfangs versucht habe, mich vor der meinen zu drücken.
    Doch im Endeffekt sind reumütige Gedanken weder nützlich noch hilfreich. Also nehme ich sie nur rasch zur Kenntnis und schicke sie dann weg. Ich muss so viel Raum wie möglich für die endlose Abfolge von uralten Riten, Heilverfahren und Zauberkünsten freimachen, die durch meinen Kopf ziehen. Ich bekomme sogar kurz Einblick in Palomas Visionssuche und sehe zu, wie Wolf sie frisst, nur um sie anschließend wieder zusammenzusetzen, ganz ähnlich, wie Rabe es bei mir gemacht hat.
    Ich verfolge ihre Kämpfe mit Leandro, der zwar längst nicht so böse und ehrgeizig ist wie sein Lieblingssohn Cade, aber dennoch eine Macht darstellt, mit der man rechnen muss. Was mich allerdings wirklich verblüfft, ist, dass Paloma ihre Rolle völlig klaglos akzeptiert hat. Sie verschreibt sich einem Leben großer persönlicher Aufopferung, um Gefahr von anderen abzuwenden und um den von Leandro verursachten Schaden möglichst gering zu halten. Ihre Lebensgeschichte ist ein Zeugnis ihrer Kraft, ihrer Selbstsicherheit und Demut, und ihre Hochachtung vor ihrem Geburtsrecht ist etwas, dem ich mir auf der Stelle nachzueifern schwöre.
    Ihr Leben läuft vor mir ab, einschließlich des Moments, in dem sie erfährt, dass ihr Mann, mein Großvater, der brasilianische Jaguarschamane Alejandro, bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen ist. Eine Tragödie, die sie mit ihrer gewohnten Mischung aus Würde und Selbstbeherrschung akzeptiert hat, wobei sie genau weiß, dass die Richters dafür verantwortlich waren. Schließlich gelang es ihnen, Paloma ihren Mann, ihren Sohn und zumindest vorübergehend auch mich wegzunehmen, doch das bestärkt mich nur in meinem festen Willen, sie aufzuhalten. Zu tun, was nötig ist, um Abhilfe zu schaffen – selbst wenn das bedeutet, sie bis zum Letzten von ihnen niederzumetzeln.
    Als die Bilder verblassen, nimmt sie die Hand von meiner Stirn und legt mir das blutverkrustete Athame in den Schoß. »Jetzt, wo du mit diesem Wissen erfüllt bist, sollst du die Augen schließen und im Stillen all die Suchenden, die vor dir kamen, anrufen. Erst wenn du ihre Gegenwart spürst, öffnest du die Augen und führst die Klinge durch die nächstgelegene Flamme, bis das Blut gereinigt ist. Dann löschst du die Kerzen allein mithilfe von Entschlusskraft.«
    Ich richte mich gerade auf und tue wie geheißen. Als ich von der Kraft der Anwesenheit meiner Vorfahren ganz erfüllt bin, nehme ich das Messer fest in die Hand und schneide damit durch die Flamme. Das Blut blubbert und zischt, bis nur noch ein einziger Tropfen übrig bleibt, aus dem ein schwarzer Rauchschwaden aufsteigt. Seine sich schlängelnde Kontur dehnt und formt sich zu all den Geisttieren aus der langen Reihe von Suchenden vor mir und gestattet mir einen kurzen Blick darauf, wie sie alle von Kojote getötet wurden.
    Ausnahmslos alle.
    Jeder Einzelne von ihnen hat den Kampf letztlich verloren.
    Trotz kleiner Augenblicke des Triumphs hat Kojote am Ende stets gewonnen.
    Als Rabe vor meinen Augen erscheint, kann ich das Athame kaum weiter festhalten, vor lauter Angst davor, was ich zu sehen bekommen könnte.
    »Rabe ist stets bei dir«, sagt Paloma. »Nur weil du ihn nicht immer sehen kannst, heißt das nicht, dass er dich verlassen hätte.«
    Kurz darauf taucht Kojote auf, und die beiden gehen gegeneinander in die Offensive.
    »Das Gleiche gilt für deine Vorfahren und eines Tages auch für mich.« Palomas Stimme ist die einzige Quelle des Trosts in einem Raum, der auf einen einzigen Unheil verkündenden Punkt zusammengeschrumpft zu sein scheint.
    Rabe geht auf Kojote zu. Er sieht klein und schutzlos aus, dem Feind nicht gewachsen.
    »Das darfst du nie vergessen, nieta . Eines Tages wirst du uns alle anrufen müssen, und zwar so wie noch nie. Doch du wirst es ohne Furcht tun, in dem sicheren Wissen, dass wir alle da sein werden.«
    Der Kampf beginnt, als Rabe weit die Flügel spreizt und Kojote sich duckt. Die beiden stürzen aufeinander los und hängen gerade in der Luft, als der Blutstropfen verdampft, der Rauchschwaden verschwindet und ich mir das Athame aufs Knie fallen lasse, wobei ich mich zittrig und schwach fühle.
    » Abuela …«, beginne ich und registriere nur vage, wie die glühend heiße Klinge meine Jeans versengt.
    Doch sie bringt mich schnell zum Schweigen. »Lösch

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