Im Namen des Sehers -: Soul Seeker 3 - Roman (German Edition)
einhalten kannst. Das hätte alles vergiftet, und mir war es wichtig, die Erinnerung in meinem Herzen zu bewahren – genauso, wie deine Seele jetzt ist – eingefroren – herrlich, leuchtend, makellos und sicher.«
»Aber meine Seele ist nicht sicher.« Ich nicke zu der schmelzenden Raute hin und zu dem ebenfalls in rascher Auflösung befindlichen Eissockel, der sie trägt. Als ich Phyres verwirrten Blick sehe, nachdem sie – anscheinend erstmals – den bedrohlichen Zustand der Skulpturen registriert hat. Es wird nicht lange dauern, bis das Einzige, was mich noch von einem schnellen und endgültigen Tod trennt, das eisbedeckte, mittlerweile fast aufgetaute Seil ist, das den Pflock hält. »Du hast einen rot glühenden Eisenpflock direkt darüber aufgehängt. Er wird sie jede Sekunde durchbohren.«
Sie verspannt sich, beklommen und zappelig. Lässt mir ein kleines Körnchen Hoffnung, dass sie es vielleicht doch nicht bis zum bitteren Ende durchzieht. Dass sie von Zweifeln geplagt wird. Doch nur für einen Moment.
»Offenbar war meine Erinnerung auch nicht zuverlässig«, sagt sie und tut mein Leben – den Zustand meiner Seele – mit einem beiläufigen Schulterzucken ab. »Sie ist durch die aktuellen Ereignisse befleckt.«
Die äußere Eiskruste gibt nach, die das Seil an Ort und Stelle hält, und der Pflock sackt herab, bis seine rot glühende Spitze nur noch dreißig Zentimeter von der Spitze der Rautenskulptur entfernt ist, nicht einmal einen halben Meter von meiner Seele.
»Du kannst eine Erinnerung nicht beflecken«, sage ich, indem ich das Erste ausspreche, was mir in den Sinn kommt. Ich lasse den anderen Fuß nach vorn gleiten und weiß, dass dies mein letzter Schritt sein wird. Es wird nicht mehr lange dauern, bis meine Knie mich nicht mehr tragen. »Eine Erinnerung steht für sich selbst.« Die Worte kommen gemurmelt heraus, barsch, aber trotzdem sieht sie mich sehnsüchtig an.
»Ich wünschte, das wäre wahr. Ich wünschte, es wäre alles anders. Ich wünschte, ich müsste das nicht tun.«
»Musst du nicht. Ehrlich, du musst nicht …«
»Du irrst dich! Ich muss. Ich meine, Mann, Dace. Das hatten wir doch schon! Anfangs habe ich noch Zeit geschunden, aber dann, als ich deine Seele frei herumschweben sah …«
»Du warst dort?« Ich schnappe nach Luft. »An dem Abend – an Heiligabend?« Ich hatte sie nicht wahrgenommen. Hatte keine Ahnung, dass sie unter uns war. Und zugesehen hat.
Sie neigt den Kopf zu mir, wobei ihr auf diese natürlich charismatische und kokette Weise, die typisch für sie ist, ein paar Locken in die Augen fallen. In einem anderen Leben, mit anderen Eltern wäre sie Model geworden, Filmstar oder vielleicht sogar Politikerin. Doch stattdessen saß sie mit Suriel fest, der sie zur Killerin gemacht hat.
»Ich war nicht dabei, als du sie verloren hast. Aber später, als ich diese herrliche Kugel über mir schweben sah, wusste ich sofort, dass es deine Seele war. Und das Komische ist, ich war hier unten und hab nach dir gesucht. Und sieh an, ich habe dich gefunden. Oder zumindest dein echtes und wahres Wesen.« Sie schaut die Seele bewundernd an. Als genösse sie es, sie so verletzlich und ausgesetzt zu sehen. »Willst du wissen, woher ich wusste, dass es deine war?« Sie wirft mir einen Blick zu, der mich davor warnt, Nein zu sagen.
Doch ich bin dermaßen erschöpft, dass ich gar nicht mehr sprechen kann.
»Ich habe es daran erkannt, dass sie so hell geleuchtet hat. Es war das hellste Ding am ganzen Himmel. Abgesehen von diesem hässlichen, kleinen dunklen Fleck gleich hier.« Sie zeigt mit der Fackel darauf, und mein Herz, das ohnehin kaum noch schlägt, macht einen Satz. »Da ist sie irgendwie beschmutzt und eklig. Wie hast du das abbekommen?«
Ich habe einen Seelensprung in meinen Bruder vollführt und ein Stück seiner Finsternis als Souvenir mitgenommen.
Ich versuche, mich zu einem weiteren Schritt zu zwingen, doch ich muss mich in letzter Minute vornüberbeugen und mit den Händen die Knie umklammern, um mich zu stützen. Mein Kopf hängt herab, und mein Atem geht hechelnd und zu schnell – wie bei einem Hund nach einem langen Sprint, der nach einem Schuss Sauerstoff und einer Schüssel frischem Wasser lechzt.
»Dann sind Cade und du wohl doch nicht so gegensätzlich, wie ich dachte. Du hast eindeutig ein Stück von ihm in dir. Aber hat er auch ein Stück von dir in sich?«
Ich falle auf die Knie und sinke gefährlich dem kalten Erdboden entgegen. Dabei spüre
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