Im Namen des Sehers -: Soul Seeker 3 - Roman (German Edition)
Aber jetzt habe ich gelernt, es zu akzeptieren.«
Sie beugt sich vor und ringt sich ein Lächeln ab. Und ich weiß, das war’s. Wenn sie das nächste Mal ausatmet, reißt das Seil, und Dace und Cade sind Geschichte.
Ich bin zwar fast bereit für sie, fast bereit, den Plan, an dem ich die ganze Zeit gefeilt habe, in die Tat umzusetzen, doch ich brauche noch ein paar Momente. Also tue ich mein Möglichstes, um sie abzulenken.
»Ich bin in einer ganz ähnlichen Situation«, sage ich, wobei ich nur einen flüchtigen Blick auf sie werfe, doch das genügt, um zu erkennen, dass ich sie wenigstens vorübergehend aufgehalten habe. »Ich war außer mir, als ich erfahren habe, dass ich ein Soul Seeker bin. Ich wollte sogar davonlaufen. Aber natürlich bin ich nicht besonders weit gekommen.«
»Das ist nicht das Gleiche.« Sie zieht eine finstere Miene, verdreht die Augen und stellt sich wieder in Positur.
»Nicht das Gleiche, aber ähnlich. Du musst zugeben, dass es ähnlich ist.« Meine Stimme klingt zu gehetzt, zu verzweifelt. Ich muss sie unbedingt in den Griff kriegen. Immerhin scheint es Wirkung zu zeigen. Wie ich daran sehe, dass sich Phyre ein ganz klein wenig zurücklehnt, die Lippen schließt und den Mund verzieht. »Genau wie du habe auch ich eine Bestimmung.« Ich schlucke schwer. Schärfe mir ein, dass ich das schaffen kann. Versuche, nicht darüber nachzudenken, wie oft es in letzter Zeit fehlgeschlagen ist. »Aber im Gegensatz zu dir ist meine Bestimmung für das allgemeinere Wohl …« Ich reibe die Lippen aufeinander. Beginne in Gedanken zu zählen.
Eins … Ich hebe langsam die Hand.
Zwei … Ich strecke die Finger in Richtung nach dem Pflock aus.
Drei … Ich schicke ein stilles Flehen ans Universum: Bitte lass mich nicht scheitern!
»Und meine?« Ihre Stimme klingt schnippisch, ungeduldig.
»Und deine …« Ich beiße die Zähne zusammen, spreize die Finger und mache mich auf alles gefasst.
»Rede, Seeker!«, kreischt sie. Ihre Stimme hallt so laut wider, dass die Flammen in die Höhe schießen, die Äste am Baum erzittern und der Pflock noch weiter nach unten rutscht, bis er gefährlich baumelnd hängen bleibt.
»Und deine ist nur ein Haufen aufgeblasener Schwachsinn, den dein gestörter Vater erfunden hat.«
Mein Blick begegnet ihrem und bestätigt mir die Empörung, die ich gezielt bei ihr ausgelöst habe. Ich hoffe nur, mein Timing war gut.
Sie beugt sich vor zu der Eisskulptur und atmet so heftig aus, dass die Hitze der Flammen das Seil mit dem Pflock augenblicklich reißen lässt, woraufhin dieser pfeilgerade auf Dace’ Seele zuschießt.
Ich verfolge seinen Flug.
Wage es nicht zu blinzeln.
Und stoße erneut ein inneres Flehen aus.
Rufe meine telekinetischen Kräfte an, die in letzter Zeit bestenfalls latent vorhanden waren. Aber momentan sind sie alles, was ich habe.
Das und meine Entschlusskraft – laut Paloma der wichtigste Bestandteil der Magie.
Doch trotz meiner besten Absicht, trotz meines inbrünstigen Flehens ist der Eisenpflock jetzt nur noch um Haaresbreite von der Seele entfernt – und weigert sich, seinen Kurs zu ändern.
Er rast geradewegs nach unten.
Direkt auf die Stelle zu, wo einmal Dace’ Seele lag.
Ich stoße unwillkürlich einen grässlichen Schrei aus. Schnappe fassungslos nach Luft.
Verstumme, als ich sehe, wie Phyre mich anstarrt, und folge ihrem Blick zu meiner Hand.
Mein fester Entschluss war es, Dace’ Seele zu retten, und offensichtlich habe ich genau das getan.
Mein telekinetisches Können hat mich nicht im Stich gelassen.
Es hat lediglich den Pflock verfehlt – anstelle des Gegenstands, um den es eigentlich geht.
Während der Pflock fiel, hat die Seele ihren Weg in meine Hand gefunden.
Mit Augen, die so hell lodern wie die von ihr entfachten Flammen, stößt Phyre einen entsetzlichen Schrei aus und fällt mich an. Die Wucht, mit der sie gegen mich prallt, schneidet mir die Luft ab und lässt mich die Seele aus der Hand verlieren.
Sie schwebt über uns, während wir beide verzweifelt danach grapschen. Doch schon im nächsten Moment beginnt sie gen Himmel davonzutreiben.
Phyre schubst mich weg und springt auf. Ich laufe ihr nach, um sie daran zu hindern, die Seele zu ergreifen.
Wegen der von ihr selbst gelegten Feuer ist die einst dicke Schneedecke um uns herum inzwischen fast geschmolzen. Der Matsch behindert unsere Jagd, sodass wir ins Rutschen und Schlittern kommen und beinahe hinfallen. Doch das schmälert nicht unseren eisernen
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