Im Namen des Sehers -: Soul Seeker 3 - Roman (German Edition)
Erinnerst. Du. Dich. An. Den. Tag. An. Dem. Wir. Miteinander. Geschlafen. Haben? Antworte mir, Dace!«
Meine Schultern sacken nach unten, und mir fällt das Atmen schwer, doch ich presse hervor: »Ja. Ich erinnere mich.« In der Hoffnung, dass das genügt, um sie zu beruhigen.
»Woran erinnerst du dich denn vor allem? Welches Wort, wenn du eines auswählen müsstest – und, sieh’s ein, du musst –, welches Wort würdest du benutzen, um es zu beschreiben?«
»Welches Wort würdest du denn benutzen?«, frage ich, während mein Puls langsam und mühevoll schlägt und ich versuche, Zeit zu schinden.
»Nein, das ist nicht fair. Ich habe dich zuerst gefragt!«, protestiert sie in ihrem Singsang, als wäre das alles ein Riesenspaß.
»Fremd«, sage ich, während mir ganz schwindelig wird und ich nicht mehr klar sehe.
»Fremd?« Sie runzelt die Stirn und tritt fest gegen den Schnee. »Du meinst im Sinne von unbekannt? Als wären wir zwei Fremde gewesen?«
Sowie ich den Kopf schüttle, bereue ich es. Es verstärkt den Schwindel, macht mich so wackelig, dass ich kaum mehr stehen kann. »Fremd im Sinne von ungewohnt«, sage ich und kämpfe mich durch die nächste Welle der Übelkeit. »Und damit meine ich, dass mir alles fremd war. Ich fürchte, ich hatte keine Ahnung, was ich da mache.«
»Aber jetzt weißt du’s. Willst du das damit sagen?« Sie sieht Daire giftig an und beginnt erneut, die Fackel wild umherzuschwenken. Der Feuerring sprüht Funken und lodert auf, während eine giftige Rauchwolke alles einhüllt.
Ich protestiere laut und bedaure es auf der Stelle. Es dient nur dazu, sie weiter anzustacheln. »Phyre …« Ich versuche es noch einmal. »Du hast mich in eine schwierige Lage gebracht, und ich weiß jetzt nicht, was du von mir hören willst. Ich weiß nur, dass es neu war … und ungewohnt und …« Daire, bitte verzeih mir. »Zugleich auch wundervoll.«
Scheinbar zufrieden lässt Phyre die Fackel wieder sinken. Doch es spielt keine Rolle mehr. Das Feuer tobt, das Eis wird flüssig, und die einst hart gefrorenen Wände der kleineren Rautenskulptur stehen kurz davor, komplett einzustürzen.
Verstohlen werfe ich einen Blick auf Daire, voller Bedauern darüber, dass sie das mit anhören muss. Doch sie bleibt so ungerührt wie immer. Konzentriert sich so intensiv auf den Pflock, dass ich mich frage, ob sie überhaupt hört, was Phyre sagt.
»Für mich war es auch wundervoll.« Phyre grinst und senkt scheu den Kopf. Sie ist so in ihre Erinnerungen versunken, dass sie den Moment verpasst, in dem die äußere Hülle schmilzt und sich in einer kleinen Pfütze auflöst.
Doch Daire registriert es. Ich spüre es daran, wie sie hinter mir erstarrt, während ich mich krampfhaft an die wenige Energie klammere, die mir noch geblieben ist. Ich versuche abzuschätzen, wie lange ich wohl noch durchhalte, doch ich weiß nur, dass es nicht lange dauern wird, bis alles verbraucht ist.
»Du weißt, warum ich es provoziert habe, oder?«, fragt Phyre, offenbar besessen von diesem Thema. Sie kann nicht aufhören.
Ich kann kaum atmen, geschweige denn antworten.
»Ich meine, wir wissen doch beide, dass ich die treibende Kraft war. Du warst so süß und so brav, wenn ich es dir überlassen hätte, wäre nie was passiert. War er bei dir auch so?« Sie wendet sich mit herausfordernder Miene an Daire, doch Daire sieht an ihr vorbei. »Jedenfalls wusste ich, dass ich bald weggehe. Was ich dir aber nicht verraten habe, war, dass ich auch wusste, dass ich wiederkommen würde.«
Ich schnaube nur. Etwas Besseres fällt mir nicht ein.
»Ich habe es dir deshalb nicht gesagt, weil ich wusste, dass es nie mehr so werden würde wie früher. Ich wusste, dass es eines Tages hier enden würde. Ich wusste, dass ich dich irgendwann im Laufe unseres sechzehnten Lebensjahres töten müssen würde.« Sie hält inne und wirft einen nachdenklichen Blick auf das Feuer. »Du hast ja keine Ahnung, wie schrecklich es war, mit einer solchen Wahrheit zu leben. Und bild dir bloß nicht ein, ich hätte das ohne Weiteres geschluckt. Jeden Tag habe ich mich mit Suriel gestritten, von früh bis spät. Zumindest so lange, bis mir klar wurde, dass es ohnehin passieren würde. Dann dachte ich mir, dass genauso gut ich es übernehmen kann.« Sie holt tief Luft und wendet sich wieder mir zu. »Aber vor allem hab ich es nicht erwähnt, weil ich dir nicht das Gefühl geben wollte, du müsstest einen Haufen falscher Versprechungen abgeben, die du nicht
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