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Im Namen Ihrer Majestät

Im Namen Ihrer Majestät

Titel: Im Namen Ihrer Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Heimweg absieht. Er schlenderte langsam die einzige Geschäftsstraße Addlestones entlang.
    Als er fast die Bahnstation erreicht hatte, hielt der hellblaue Jaguar neben ihm. Er hörte ein leises Pfeifen, als wollte jemand einen Hund rufen oder möglicherweise eine schöne Frau auf sich aufmerksam machen.
    Als er sich umdrehte, entdeckte er zwei Dinge, die ihn gleichermaßen in Erstaunen versetzten. Es war Lady Carmen, die nach ihm gepfiffen hatte. Außerdem fuhr sie den großen Wagen selbst. Sowohl sie selbst als auch der Wagen schienen eher für einen Privatchauffeur geeignet zu sein.
    »Soll ich dich in die Stadt mitnehmen, schöner Mann?« fragte sie frech und geradeheraus, als wären sie einander schon lange bekannt.
    »Darf ein feines Mädchen wie du einen armen jungen Mann wie mich mitnehmen?« sagte er und lächelte so amerikanisch, wie er nur vermochte.
    »Wer zum Henker hat gesagt, daß ich ein feines Mädchen bin«, entgegnete sie, beugte sich über den Sitz und öffnete die Wagentür.
    Luigi lachte verlegen, stieg ein und zog die Tür zu. Er war äußerst unsicher, wie Tony Gianelli sich jetzt verhalten sollte.
    Wie Hauptmann Bertoni-Svensson sich verhalten sollte, war ihm noch weniger klar.
    »Carpe diem«, sagte er für beide zugleich.
    »Genau meine Meinung. Das hätte ich nicht besser sagen können«, sagte Lady Carmen lachend und fuhr los.
    Luigi sah Lady Carmen vorsichtig von der Seite an. Sie merkte es, und es schien ihr zu gefallen. Sie hatte die Schuhe ausgezogen und fuhr in Strümpfen. Um bequemer zu sitzen oder um zu zeigen, was sie zu bieten hatte, hatte sie ihren engen Rock so weit hochgezogen, daß Luigi erkennen konnte, daß sie keine Strumpfhosen trug.
    »Wollen wir zu dir oder zu mir?« fragte sie fröhlich, als wollte sie die Verlegenheit des jungen Amerikaners noch mehr steigern.
    »Zu mir«, schlug Luigi zögernd vor. »Es gehört nicht zu meinen Gewohnheiten, verheiratete Frauen zu besuchen.«
    »Ach nein. Gerade heute hätte es sowieso nicht gepaßt, da mein Mann zu Hause ist. Also wo wohnst du?« fuhr sie in einem Tonfall fort, der alles selbstverständlich erscheinen ließ.
    »In der Sydney Road in South Kensington. Ich fürchte aber, daß ich den Weg noch nicht richtig beschreiben kann«, erwiderte Luigi zögernd.
    »Ich weiß, wo das ist. Es ist so ein Viertel, in dem ältere Knacker für ihre Geliebten kleinere Wohnungen mieten«, sagte Lady Carmen, als spräche sie mit wirklicher Sachkenntnis.
    Sie fuhr schnell und sehr gut, mit einem fast arroganten Maß von Selbstbewußtsein. Auf dem Weg in die Stadt kühlte ihr herausfordernder Ton ein wenig ab. Eine Zeitlang machte sie alltägliche und korrekte Konversation. Sie fragte, ob ein Amerikaner sich in London eingewöhnen könne oder nicht, und er antwortete höflich und wortkarg, da er zu diesem Thema noch keine fundierte Meinung hatte. Er hatte kaum die Zeit gefunden, einen englischen Pub zu besuchen, geschweige denn, »sich in London einzugewöhnen«.
    Als sie vor seiner Haustür hielt, sah er auf die Uhr und entdeckte, daß es mit U-Bahn und Bahn mehr als doppelt so lange dauerte, von und nach Addlestone zu fahren.
    »Und jetzt, mein lieber junger Mitarbeiter, kommt der Augenblick der Wahrheit«, sagte sie mit einem spöttischen Lächeln.
    »In welcher Hinsicht?« fragte Luigi gespannt, da die Alarmglocke in ihm geläutet hatte. Wahrheit war ein gefährliches Wort.
    »Wären unsere Rollen umgekehrt, würdest du mir in den Ohren liegen, noch auf eine Tasse Tee zu mir raufzukommen«, sagte sie mit einem frechen Lächeln.
    »Möchtest du auf eine Tasse Tee mit rauf?« fragte Luigi schnell.
    »Ja, gern!« sagte sie und stellte den Motor ab.
    Da sie keine Anstalten machte, sich zu rühren, stieg Luigi aus, ging um den Wagen herum und hielt ihr die Tür auf, während er sich fragte, ob Tony Gianelli tatsächlich so gehandelt hätte.
    Sie machten eine kurze Hausbesichtigung von unten nach oben, und als sie sich schließlich in dem großen Schlafzimmer im zweiten Stock befanden, ging ihnen der triviale Gesprächsstoff aus. Einrichtung, allzu laute Wasserleitungen und anderes, was englische Häuser als Gesprächsstoff hergeben, hatten sie schon abgehandelt. Als er in der plötzlichen Stille ein Räuspern hören ließ und fragte, ob er hinuntergehen und Teewasser aufsetzen solle, lachte sie los, schüttelte den Kopf und murmelte, für Tee würden sie wohl nicht viel Zeit haben. Dann ging sie schnell auf ihn zu und schubste ihn aufs Bett.

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