Im Namen Ihrer Majestät
Zentrum militärischer Geheimnisse sein konnte. Mit Ausnahme einiger Überwachungskameras vor dem bescheidenen Eingang gab es keine sichtbaren Sicherheitsvorkehrungen.
Hinter der schlichten Fassade in dem verschlafenen Vorort breitete sich jedoch ein recht großer Bürokomplex aus. Das meiste davon würde Luigi außer beim Rundgang des ersten Tages nie mehr zu sehen bekommen. Man hatte ihn mit verschiedenen Mitarbeitern bekannt gemacht und ihm kurz erklärt, in welcher Abteilung er arbeiten werde. Die Arbeit war strikt aufgeteilt. Er würde nur die rund zehn Personen treffen, mit denen er in der Abteilung für EDV-Simulations-Programme zusammenarbeitete. Im übrigen wurde von ihm erwartet, daß er nicht danach fragte, womit andere beschäftigt waren.
Nach dem Rundgang wurde er zum Geschäftsführer hereingebeten. Dieser sah aus wie erfolgreiche junge Männer überall in der westlichen Welt, wie ein Mann mit Handy und Jaguar. Luigi bekam eine Tasse Tee angeboten, lernte seinen Abteilungsleiter kennen sowie eine Frau, die in scherzhaftem Ton als Verbindungsoffizier bei General Electric vorgestellt wurde, also der Konzernleitung. Lady Carmen Harding sah eher wie ein Mannequin oder ehemaliges Fotomodell aus und nicht wie eine wissenschaftliche Nahtstelle. Sie sprach Englisch mit einem ausländischen Akzent, aus dem Luigi nicht recht schlau wurde. Es hörte sich an wie eine Mischung aus Spanisch und Italienisch. Ihre kupferrote Haarfarbe war unecht, und zwar ebenso offenkundig wie ihre Sprache. Die Männer im Raum behandelten sie mit einem Respekt, der Luigi bemerkenswert übertrieben erschien.
Sie unterbrach sogar das Gespräch, um mit ihm zu plaudern. Sie fragte ihn, ob er sich an sein neues Leben in London gewöhnt habe, ob er von früher her hier Leute kenne oder ob er schon etwas Lustiges oder Romantisches erlebt habe. Er erwiderte ein wenig schüchtern, bislang habe er wirklich keine Zeit für Romantik gehabt, worauf sie vermerkte, dagegen müsse man etwas unternehmen. Sie unterstrich es mit einem Blick, der ihn erröten ließ, jedoch nicht ihretwegen, sondern wegen der anderen Männer.
Auf dem Rückweg zu seiner Abteilung wurde Luigi von einem etwa gleichaltrigen Waliser begleitet, der offenbar sein nächsthöherer Vorgesetzter war. Dieser erklärte ihm in einem munteren und jungenhaften Ton, was er soeben gesehen hatte.
Lady Harding sei mit dem vor kurzem zurückgetretenen Verteidigungsminister verheiratet. Dieser sitze in der Konzernleitung und sei natürlich ein unerhört einflußreicher Mann und doppelt so alt wie seine Frau. Sie wurde allgemein die Spanierin genannt, obwohl unklar war, woher sie gekommen war oder ob sie überhaupt spanisch sprach. Aber eine Lady war sie, und da man sich in Großbritannien befand, war das der entscheidende Punkt. Sie hatte den richtigen Kerl geheiratet und im Konzern einen fabelhaften Job bekommen, und kein britischer Staatsbürger würde etwas dagegen einwenden können. Denn damit würde man ja Lord Harding persönlich in Frage stellen.
Als Luigi etwas konkreter mitgeteilt wurde, welche Aufgaben er erfüllen sollte, entsprach das ungefähr dem, was er erwartet hatte. Die Hälfte davon waren Dinge, die er schon beherrschte. In einigen Fällen so gut, daß er es zunächst vermutlich verbergen mußte. Die andere Hälfte seiner künftigen Pflichten waren ihm nicht vertraut, doch würde er sich schnell einarbeiten.
Insgesamt verbrachte er an diesem ersten Tag knapp zwei Stunden an seinem neuen Arbeitsplatz. Nach und nach gelang es ihm, sich in eine Stimmung von Normalität zu versetzen, als hätte er tatsächlich den Job gewechselt und würde mindestens die nächsten zwei Jahre in diesem bei oberflächlicher Betrachtung tristen Nest verbringen. Schließlich hatte er einen Vertrag auf zwei Jahre unterschrieben, der eine Reihe von Konventionalstrafen vorsah, wenn er ihn brach. Was das anging, würde es kaum größere Probleme geben, wenn Luigi in Gestalt Tony Gianellis zu existieren aufhörte und der echte Tony Gianelli nachweislich von seinem Krankenhausbett in Kalifornien aus keinen Vertrag hatte unterschreiben können. Luigi tat jedoch sein möglichstes, um nicht an die Absurditäten dieses Spiels zu denken, sondern bemühte sich statt dessen, die Illusion in sich wachzuhalten.
Und in dem Leben des Tony Gianelli gab es nichts, was ihn an diesem ersten kurzen Arbeitstag bei Marconi Naval Systems erstaunte oder ihm eigenartig vorkam.
Wenn man von einer Begebenheit auf dem
Weitere Kostenlose Bücher