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Im Namen Ihrer Majestät

Im Namen Ihrer Majestät

Titel: Im Namen Ihrer Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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in die Hände gegeben hatte. Immerhin war sie sowohl Juristin als auch Amerikanerin, und es bereitete ihr keine Mühe, die Logik dieser Medien-Operation zu verstehen.
    Und jetzt war all dies vorbei. Daher Hängematte, Urlaub, ziviles Leben, Zukunftspläne. Statt der ewigen russischen Sprachkassetten in seinem Walkman lauschte er jetzt der Pastorale von Beethoven. Er stellte sich vor, daß ein Sommertag in der Hängematte und Urlaub und Lebensplanung nach der Pensionierung recht gut zur Pastorale passen würden, ebenso wie die Aussicht auf das blaue Wasser des Mälarsees.
    Im übrigen mochte er den kleinen Stan ganz freiwillig. Der Junge war neugierig, von großer Wißbegier, impulsiv und phantasiebegabt. Sie hatten zusammen viel Spaß gehabt, besonders als der riesige Åke, der heimlich Carls indiskretes Getratsche bestätigt hatte, daß auch er die SEAL-Schwingen trage, Stan mehrere Meter in die Luft geworfen hatte, um ihn dann weich aufzufangen und überraschend zu Carl hinüberzuwerfen, etwa so, wie die beiden es immer im Scherz mit Messern machten. Plötzlich warf der eine ein Messer auf das Gesicht des anderen, am liebsten bei Tisch mit anwesenden Ehefrauen.
    Es erstaunte ihn, daß er es als so vollkommen normal empfand, wieder Vater geworden zu sein. Es war ein Wunder mit allem, was so dazugehört, aber nicht das gleiche Wunder wie beim ersten Mal. Es kam ihm vor, als hätte er schon eine gewisse Routine.
    Carl hob die Hände und betrachtete sie. Sie waren inzwischen weicher geworden und paßten besser zu Kindern. Sie waren keine Waffen mehr, und so sollte es auch sein. Er drehte zwar immer noch jeden Tag seine Runden und schoß seine Serien, das eine auf Verlangen des Körpers und das andere auf Verlangen der Seele. Die Nahkampfübungen hatte er aber so gut wie eingestellt. Genau dieses Leben wollte er schließlich hinter sich lassen.
    Ein kleiner dunkler Anflug von Unruhe machte sich in ihm bemerkbar, etwa wie ein vorübergleitende Wolke an einem sonst völlig klaren Sommerhimmel. Wenn er den Dienst quittierte, würde Åke, Vater von Lis, höchster operativer Chef der besonderen Abteilung des Nachrichtendienstes werden, wie ihre Abteilung offenbar seit kurzem hieß.
    Dabei ging es natürlich um die baltischen Staaten und Rußland. Carl sah eine lange Reihe von Möglichkeiten für illegale schwedische Aktionen auf baltischem Territorium in den nächsten Jahren. Und wer sich auf so etwas einließ, ging immer eine Wette mit dem Tod ein. Sie selbst hatten meist Glück gehabt. Ihre Verluste waren klein gewesen, doch ein einziger Zufall genügte, und es konnte für eine ganze Gruppe auf dem Feld vorbei sein.
    Das ist nicht gerecht, sagte er sich. Er selbst riß aus höchst privaten Gründen aus, und Åke blieb zurück. Und dieser würde früher oder später gezwungen sein, das Risiko auf sich zu nehmen, Anna zur Witwe zu machen. Und damit würde Lis Erika ohne Vater dastehen.
    Seine Sentimentalität gefiel ihm nicht, und so schaltete er wieder die Kassette mit der Pastorale ein. Es ist aber trotzdem ungerecht, sagte er sich. Åke hat dieses russische Roulette schon so oft mitgemacht, daß er etwas anderes verdient, als einfach nur mit der Tätigkeit weiterzumachen, die logischerweise so enden muß, wie sie für Joar Lundwall, unseren ersten gemeinsamen Rottenkameraden, geendet hat.
    Plötzlich überspülten Carl die Erinnerungen mit so brutaler Heftigkeit, daß er sich den Kopfhörer mit der Pastorale vom Kopf riß. Er sah Joar Lundwalls Körper vor sich, der unter den Treffern der Automatikwaffe zuckte wie unter elektrischen Stößen. Er sah das Blut, das in kleinen Strömen auf einen schmutzigen Bürgersteig in Palermo lief, bevor er selbst hinzukam, sah vor sich, wie er die Einschußlöcher in der Lungenregion zuzuhalten versuchte, sah, wie er es mit einer Herzmassage versuchte, sah, wie das Blut in kleinen vulkanischen Strömen überall aus Joars Körper hervorschoß, sah, wie er selbst verzweifelt und jenseits von Sinn und Vernunft eine Mund-zu-Mund-Beatmung versucht hatte, um die schon zusammengebrochene Lungenfunktion wieder in Gang zu bringen. Er würde selbst so enden, wenn er lange genug in diesem Job blieb. Doch jetzt stand Åke an seiner Stelle.
    Carl stand mit einem unterdrückten Fluch auf. Die entspannte Körperhaltung, die eine Hängematte angeblich ermöglichte, hatte seinen Rücken steif werden lassen. Außerdem wirbelte sie herum, so daß er mit dem Hinterteil auf dem Boden landete und

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