Im Namen Ihrer Majestät
gelandet.
Wie einer seiner Freunde bestätigen konnte, hatte Vijai bei einer einzigen Gelegenheit die Sekte besucht. Allerdings sei er lauthals lachend wieder weggegangen. Offensichtlich also ohne Anzeichen einer beginnenden Depression.
Was nun Ashraf anging, den Moslem, der folglich keine hinduistische Sekte besucht haben konnte, so lautete nun die inoffizielle Erklärung, er habe eine außereheliche Beziehung unterhalten, über die man sich mit Rücksicht auf die Betroffenen nicht näher äußern könnte. Diese Tatsache habe es jedoch mit sich gebracht, besonders angesichts seiner streng moslemischen Religiosität, daß er seine Familie auf eine Weise entehrt habe, die nur eine drastische Art der Wiedergutmachung zulasse, eine, die mit moslemischen Traditionen vereinbar sei. Er habe die Wunden nur durch seinen Tod heilen können.
Sein Vater und sein Onkel schnaubten nur über diese Erklärung, als sie von eifrigen Reportern weitergegeben wurde. Entweder sei das, erklärten sie, ein zynischer Scherz, oder man habe sie mit irakischen Schiiten oder derlei verwechselt. Untreue sei ihrer Religion zufolge gewiß ein schweres Verbrechen, das die Familie entehre. Doch es hätte die Schande nur noch größer gemacht, wenn Ashraf dieses Verbrechen durch ein noch schändlicheres hätte sühnen wollen, nämlich durch einen Selbstmord in Verbindung mit Trunkenheit. Älteren Sitten in dem Teil Pakistans zufolge, aus dem die Familie ursprünglich stammte, hätte der junge Ashraf die Entehrung möglicherweise dadurch auslöschen können, daß er die Frau tötete, die der Anlaß zu seiner Untreue gewesen sei. Doch es erschien ihnen nicht wahrscheinlich, daß Ashraf, der Pakistan noch niemals besucht hatte, auf die Idee hätten kommen sollen, zu derart altertümlichen Sitten zurückzukehren.
Der britischen Presse kann mit Rücksicht auf die Sicherheit des Landes von der Regierung eine Schweigepflicht auferlegt werden. Dies ist für die Obrigkeit ein zweischneidiges Schwert, da das Risiko besteht, daß sich britische Journalisten dann ausländischer Kollegen bedienen und ihnen Hinweise geben, um anschließend »die ausländische Presse« zitieren zu können. Es gibt jedoch eine Zwischenform in der englischen Obrigkeitsgesellschaft, die manchmal als »Gesellschaft für bescheuertes Händeschütteln« bezeichnet wird – damit ist die Art und Weise gemeint, wie Freimaurer einander die Hand geben. Die britischen Machthaber in Verwaltung, Industrie und Medien pflegen bei ungezwungenen Essen in ihren Herrenclubs täglichen Umgang miteinander. Irgendwo dort mußte jemand gegrunzt, die Augenbrauen gehoben oder auf andere Weise eine Andeutung gemacht haben. In kürzester Zeit war sich nämlich die gesamte Chefgarnitur der britischen Medien darin einig, daß es den Interessen der Nation nicht nützen würde, in dieser Bristol-Sache herumzurühren.
Bis auf weiteres kam damit die lästige Publizität zum Erliegen.
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Carl lag in einer zwischen zwei spätblühenden Apfelbäumen gespannten Hängematte und versuchte sich einzureden, daß es bequem war. Diese Form der Ruhe hatte er sich schon immer als die höchste Form von Freizeit, ja, Pensionierung vorgestellt. Er übte sich nämlich nicht nur darin, bequem in einer Hängematte zu liegen, sondern auch in der Vorstellung, pensioniert zu sein. In einem Monat würde er seinen vierzigsten Geburtstag feiern. Vor sich hatte er ein schwindelerregendes Abenteuer in Form eines vollkommen zivilen Lebens; er hatte ein Gebot auf eine kleine EDV-Firma im Silicon Valley abgegeben, die sich daraufspezialisiert hatte, Software für militärische Systeme herzustellen. Das war ein Bereich, der ihm maßgeschneidert erschien. Er hatte in San Diego ein Bankkonto eröffnet und verhandelte mit einem deutschen Unternehmen über den Verkauf seiner schwedischen Immobiliengesellschaften. Der Fall der schwedischen Krone war ebenso groß wie unvermeidlich geworden, nachdem sich der Reichsbankchef des Landes als Vorstandsvertreter eines Großunternehmens an einer Spekulation gegen die eigene Währung beteiligt hatte. Carl fiel ein, daß der Reichsbankchef für zehn Jahre in den Kahn gegangen wäre, wenn er sich in den USA etwas Vergleichbares geleistet hätte. Wenn es in der alten Sowjetunion dazu gekommen wäre, wäre er von einem Erschießungspeloton hingerichtet worden; in Schweden blieb er in seinem Job sitzen und administrierte die Währungskatastrophe.
Eine für das Land weniger bedeutende, für Carl
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