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Im Namen Ihrer Majestät

Im Namen Ihrer Majestät

Titel: Im Namen Ihrer Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Spitzencorsage.«
    Die Schilderung stimmte an und für sich. Doch es gab an dem vermeintlichen Selbstmord einige Details, die sich nicht ohne weiteres erklären ließen. Der Tod durch Ersticken war eingetreten, da der Mann selbst oder ein anderer seinen Kopf in mehr als drei Meter Klebeband gewickelt hatte, was mehr als ausreichend war, um das Atmen wirksam zu verhindern. Immerhin hätte man sich fragen sollen, welches sexuelle Stimulans diese reichlich komplizierte und zeitraubende Maßnahme hätte bringen sollen. Und was geschah, nachdem er sich so eingewickelt hatte? Lehnte er sich behaglich zurück und genoß sein sexuelles Stimulans, bis er starb?
    Bei der öffentlichen Untersuchung des Gerichtsmediziners wurde eingehend dargelegt, wie Erstickungsgefühle im Verein mit sexueller Aktivität sensationelle Lustempfindungen schaffen könnten und daß diese Wirkungen unter, nun ja, bei einigen Menschen wohlbekannt sei. Es gebe auch andere bekannte Fälle, in denen ähnliche Experimente ebenfalls ein fatales Ende genommen hätten. Das Innenministerium hatte für die amtliche Leichenbeschau einen besonders qualifizierten Experten abgestellt, einen Dr. William Kennard. Nach Dr. Kennards zum Teil pikantem Vortrag über Lustempfindungen im Zusammenhang mit exklusiven Sexgewohnheiten lautete die offizielle Schlußfolgerung: Tod durch Unfall, ausgelöst durch eigenes Verschulden.
    Normalerweise wäre ein solches Ereignis trotz mancher delikater Details nur recht kurz in den britischen Medien abgehandelt worden. Doch jetzt ging es wieder einmal um eine Person mit einem qualifizierten und geheimen Arbeitsplatz in der Rüstungsindustrie. Der vierundzwanzigjährige Mark Wisner war Angestellter von A&AEE (Aeroplane and Armament Experimental Establishment), und sein Arbeitsplatz befand sich auf einer von größter Geheimhaltung umgebenen Fliegerbasis.
    In den meisten Ländern der Welt, möglicherweise besonders in Großbritannien, sind Jobs, bei denen Geheimhaltung verlangt wird, unvereinbar mit bizarren sexuellen Gewohnheiten, mit Alkoholismus, Kriminalität, Homosexualität, finanziellen Sorgen oder anderen Faktoren, die, mehr oder weniger von kulturellem Milieu abhängig, als Sicherheitsrisiko gelten. Mark Wisner war wie alle, die in ähnlichen Funktionen arbeiteten, einer eingehenden Sicherheitsprüfung unterzogen worden. In seinen Papieren fand sich keine Notiz über sexuelle oder sonstige Abweichungen. Für seine Kollegen und Bekannten war diese angebliche Veranlagung überdies eine totale und für manche unglaubliche Überraschung. Sollte er also ein heimliches Leben als Transvestit geführt haben, ein Leben mit Klebeband und Spitzencorsagen, ohne daß die beiden Freunde, mit denen er das Haus teilte, je auch nur einen Lackstiefel entdeckt haben sollten?
    Vielleicht war es so. Es lag unleugbar in der Natur der Sache, daß er sich in dem Fall die größte Mühe gegeben haben mußte, seine Neigungen zu verbergen. Sonst wäre er Gefahr gelaufen, als Sicherheitsrisiko eingestuft zu werden und damit seinen Job zu verlieren.
    Als die Presse herauszubekommen suchte, mit welchen EDV- Geheimnissen Mark Wisner zu tun gehabt hatte, stieß sie auf eine Mauer des Schweigens, sowohl bei A&AEE wie bei der Royal Air Force. Es hieß, es verstoße gegen britisches Recht, auch nur anzudeuten, womit der Verstorbene beschäftigt gewesen sei.
    Jetzt griffen die Journalisten der großen Londoner Zeitungen den Fall auf. In ihren Archiven entdeckten sie schnell ein vergleichbares Ereignis.
    1983, während der früheren Epidemie statistisch angeblich normaler Selbstmorde in der Rüstungsindustrie, sollte ein fünfundzwanzigjähriger »Beamter« sich mit Hilfe einer Plastiktüte über dem Kopf erstickt haben. So hatte die Lokalzeitung in Cheltenham zunächst über das Ereignis berichtet:
    »Beamter«.
    Doch ausgerechnet in Cheltenham befindet sich eine der sagenumwobensten und geheimsten Anlagen der britischen Streitkräfte, Government Communications Headquarters, normalerweise unter der Abkürzung GCHQ bekannt. Die Anlage ist das Zentrum des gesamten Funk und Nachrichtenverkehrs sowie für Ver und Entschlüsselung militärischer Nachrichten und damit auch eine der wichtigsten Stationen der NATO für alles, was das Abhören fremden Funkverkehrs und Entschlüsselung betrifft.
    Natürlich hatte dieser »Beamte«, Stephen Drinkwater, dort seinen Arbeitsplatz gehabt, überdies in der einzigen Abteilung des GCHQ, in der geheime Akten kopiert werden

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