Im Namen Ihrer Majestät
verzweifelt nach der verhedderten Hängematte griff. Er stand brummend auf und machte leichte Dehnübungen, die er sonst immer vor den Nahkampfübungen absolvierte.
Nachdem sich der Schmerz des Sturzes gelegt hatte, schlenderte er zur Anlegebrücke hinunter und betrachtete das wogende Schilf.
Er hatte fünf Jahre in Kalifornien gewohnt. Er konnte sich Geruch und Geräusche ins Gedächtnis zurückrufen, indem er die Augen schloß. Dort fiel es ihm leichter, sich anzupassen, als irgendwo sonst außerhalb Schwedens. Doch das war es nicht.
Er blickte zum Haus hinauf, einem sehr schönen schwedischen Herrenhaus mit gepflegten Rasenflächen und einer Fahnenstange, an der zum Spaß die Kriegsflagge aufgezogen war. Das war seine wahre Identität, wenn er überhaupt eine besaß hinter all der Verstellung, die er sich in mehr als dreizehn oder vielleicht vierzehn Jahren antrainiert und berufsmäßig betrieben hatte. Nein, wenn er die Ausbildungszeit in Kalifornien mitrechnete, wurden es achtzehn Jahre.
In Kalifornien würde er mühelos mit der Umgebung verschmelzen, möglicherweise sogar in seiner echten Identität als Charles Hamlon. Als jener Hamlon, der sogar einen vollkommen echten Paß mit seinem Foto besaß, wenn auch in etwas verfremdeter Version mit dunklem Kurzhaarschnitt. Blieb nur die Frage, ob er das Navy Cross für all das bekommen hatte, was in den schönen Ansprachen erwähnt worden war, oder für das, was Charles Hamlon getan hatte. Charles Hamlon hatte nämlich, sogar mit ziemlich großer Lust, einen übergelaufenen amerikanischen CIA-Offizier ermordet. Würde er in den USA nun zu Hamlon oder zu Hamilton werden?
Vielleicht war das ganze Vorhaben falsch. Vielleicht würde Stan Schwede werden können. Wenn alle ein Stimmrecht hätten, würden Tessie und Stan für Kalifornien stimmen. Und er selbst und Johanna Louise würden sich für Schweden entscheiden.
Wie er das Problem auch drehte und wendete, entweder er oder Tessie mußten ein Kind in einem anderen Land im Stich lassen. Für ihn war es jedoch leichter, Amerikaner zu werden, als für Tessie, Schwedin zu werden; falls erforderlich, war er schon in der nächsten Sekunde Amerikaner, zumindest in seiner Vorstellung. Es gab kein Zurück.
Außerdem war es vermutlich die gesündeste Lösung. Hier, ganz allein mit sich, die Hände tief in den Shortstaschen vergraben, auf einer Anlegebrücke an einem schwedischen Sommernachmittag, konnte er sich zumindest den Gedanken durch den Kopf gehen lassen, der sein Innerstes und Heimlichstes berührte. Er wußte nicht mal mehr, wie viele Menschen er ermordet hatte. Er wollte sich nicht erinnern, verdrängte die Erinnerungen, so gut es ging. Doch so war es, er mordete von Berufs wegen und war nicht sicher, was Jahr für Jahr und Tod für Tod in ihm geschah. Im Kampf hatte er sich nie anders denn als unverwundbar gesehen, zwar als vorsichtig und sorgfältig, aber unverwundbar. Das, wovor er sich fürchtete, war etwas anderes. Es war etwas, was in den Nächten kam. Er erinnerte sich gut daran, und zwar seit sehr langer Zeit, und sah es vor sich als etwas, was schwarzen Eisschollen ähnelte.
Er zog den dünnen weißen Pullover aus, trat sich die Turnschuhe von den Füßen und tauchte direkt von der Brücke in den See. Dann lag er still im Wasser und ruhte mit gestrecktem Körper aus, während er zwischen den flimmernden Sonnenstrahlen, die ihr Licht schon in zwei Meter Tiefe verloren, in dem dunklen Wasser nach unten glitt. Wenn er überhaupt an etwas dachte, dann an seine Tochter Johanna Louise. Er sah ihr Gesicht deutlich vor sich. Sie hatte inzwischen einen ihrer Vorderzähne verloren und lispelte beim Sprechen.
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DAS TÖDLICHE SEXSPIEL DES COMPUTERGENIES lautete die sehr englisch geschmacklose Schlagzeile in der Lokalzeitung. Die Geschichte wurde auf der ersten Seite mit folgender Schilderung zusammengefaßt:
»Bei der Voruntersuchung stellte sich heraus, daß ein junger Computerexperte des Boscombe-Down-Flugplatzes ein verblüffendes Doppelleben als Transvestit geführt hat. Der Junggeselle Mark Wisner, der an den EDV-Programmen des Angriffsjägers Tornado arbeitete, litt an einem heimlichen Verlangen, sich selbst in Frauenkleidern zu fotografieren. Seine Jagd nach sexueller Anregung nahm vor zwei Wochen jedoch ein tragisches Ende, als er sich bei einem sexuellen Experiment selbst erstickte. Er wurde in seiner Wohnung in Durrington tot aufgefunden. Er trughochhackige Damenstiefel, Strumpfhalter und eine
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