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Im Namen Ihrer Majestät

Im Namen Ihrer Majestät

Titel: Im Namen Ihrer Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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unter seinen Füßen. Er blickte hinunter und sah einige zerbröselte Eierschalen. Das erstaunte ihn nicht. Er machte sich auch keine Gedanken darüber, daß die Maschine außen so ungewaschen war und so unaufgeräumt im Innenraum. Die mohrrübenfarbenen Sitze waren schon sehr lange nicht mehr gereinigt worden.
    Als Soldat hatte er felsenfestes Vertrauen zu russischen Piloten.
    Hier wie anderswo, wo es eine eigene Luftwaffe gab, kamen natürlich auch sie von den Luftstreitkräften. Wenn sie eine MIG 25 FOXBAT mit Mach 3,3 fliegen konnten, konnten sie wohl auch den Steuerknüppel einer TU 164 bedienen. Überdies hatten sie wohl wie alle Piloten der Welt kaum ein Interesse daran abzustürzen.
    Carl schlief schon, als die Maschine startete, und wachte erst zwei Stunden später auf, als die Stewardeß ihn brüsk weckte. Sie servierte Tee und eine verschwitzte, in Plastik eingepackte Wurstscheibe, ein Stück Brot und eine ebenfalls in Kunststoff gewickelte, feuchte Käsescheibe. Er blickte amüsiert und schläfrig auf sein Essen, dankte freundlich und trank vorsichtig etwas von dem Tee.
    Anschließend gelang es ihm zu seiner Irritation nicht, wieder einzuschlafen. Er versuchte, an seinen Auftrag zu denken, erkannte aber die Sinnlosigkeit einer Planung. Es würde doch alles davon abhängen, wie die Gespräche liefen, wieviel Jurij über die Operationen im Westen wußte, was er über sie dachte, was er von der Entwicklung in seinem Land hielt – lauter Dinge, die sich unmöglich vorhersehen ließen.
    Die bevorstehende Jagd verdrängte Carl. In seiner Kindheit hatte man ihn gezwungen, an so vielen Jagden teilzunehmen, daß seine jagdfeindliche Haltung zu einem Teil seiner späteren Auflehnung gegen die Eltern geworden war. Jetzt mußte er trotzdem jagen und auf Tiere schießen, als wäre es ein Sport, was in seinen Augen eine ebenso unmoralische wie absurde menschliche Tätigkeit war. Dennoch war es nur ein kleineres Problem, ein technisches Detail. Er hatte in seinem Job schon viel schlimmere Dinge getan. Jetzt sah er dankbar ein, daß er im Moment nichts in dieser Richtung riskierte. So brauchte er beispielsweise kein Verhältnis mit einer anderen Frau anzufangen. Dabei fiel ihm natürlich Luigi in London ein. Carl lächelte über dessen Affäre mit einer Lady Carmen. Das war ohne Zweifel eine lustige Komplikation in Luigis Auftrag.
    Luigi durfte sich natürlich die Zeit so vertreiben, wie er wollte, während er sein Cover als netter junger Amerikaner in London kultivierte. Da Luigi allerdings wie ein Filmstar aussah und natürlich eine hervorragende körperliche Konstitution besaß, würden wohl noch mehr Damen als Lady Carmen den Wunsch verspüren, davon zu kosten. Ein Unternehmen konnte auf mancherlei Weise fehlschlagen, aber Luigi lief Gefahr, sich bei der falschen Gelegenheit im falschen Bett zu befinden. Für einen Offizier des schwedischen Nachrichtendienstes wäre dies eine ungewöhnliche Art, ein Unternehmen zu vermasseln. Andererseits würde Luigi wahrlich nicht den Schweden spielen, eher im Gegenteil.
    Sie flogen der aufgehenden Sonne entgegen, und Carl mußte den Vorhang vor seinem Fenster zur Hälfte herunterziehen. Draußen herrschte klares Wetter. Er blickte hinaus und sah eine unendliche wilde Landschaft mit Wäldern und niedrigen Bergen.
    Als die Maschine zum Landeanflug ansetzte und auf die Stadt Barnaul zuhielt, die Carl bislang nicht einmal dem Namen nach kannte, wurde die Landschaft grün und üppig, da sie von einem sich dahinschlängelnden Fluß mit vielen Zuflüssen durchströmt wurde. Wahrscheinlich gab es hier ein großes landwirtschaftliches Potential. Als sie sich der Stadt näherten und große Industriegebiete passierten, stellte Carl fest, daß es sich um metallurgische Industrie handelte. Überall Aktivität, keine Beschäftigungsprobleme, kein Produktionsstillstand. Barnaul mit seinen rund 400 000 Einwohnern war in Sibirien wohl nicht der schlechteste Ort zum Leben.
    Der Pilot setzte die Maschine mit einer perfekten Landung auf. Die Vibrationen der Maschine deuteten daraufhin, daß die offenbar aus Beton oder Zement bestehende Landebahn dringend einer Reparatur bedurfte. Sie rollten auf das graue Hauptgebäude zu, auf dem ein schmales blaues Neonschild mitteilte, man sei in Barnaul willkommen.
    Unrasiert, zerknittert und verschwitzt drängten sich die Passagiere in die naßkalte Morgendämmerung hinaus, um die kurze Strecke zum Hauptgebäude über den unebenen Boden zurückzulegen, auf dem

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