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Im Namen Ihrer Majestät

Im Namen Ihrer Majestät

Titel: Im Namen Ihrer Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Silbernitrat zu basieren.
    »Ich weiß nicht viel über Barnaul, junger Mann«, begann Carl auf russisch. »Kommen Sie selbst von hier, und was können Sie mir erzählen?«
    Er erhielt einen kurzen Bericht darüber, daß die Stadt erst während des Großen Vaterländischen Krieges entstanden sei.
    Nach dem Angriff der Deutschen seien Millionen Menschen nach Osten umgesiedelt worden, um sie vor den Auswirkungen des Krieges zu schützen und die russische Kriegsindustrie in Gang zu halten. Barnaul sei nur einer von vielen Orten mit einer solchen Geschichte.
    Als sie sich der Stadtmitte näherten, begann Jewgenij eifrig auf verschiedene Gebäude zu zeigen, etwa das frisch renovierte Opernhaus. Carl staunte über den guten Zustand der Stadt. Die Fassaden und Straßen waren sauber. Es gab keine Schmierereien an den Hauswänden. Zu Carls Erstaunen fuhren sie an zwei völlig unangetasteten Lenin-Statuen vorbei; die Hauptstraße hieß Leninskij Prospekt, und ihr Name war an keiner Stelle übermalt.
    »Junger Mann, wie ich vermute, befinden wir uns auf der Hauptstraße der Stadt. Ich muß Ihnen sagen, daß mich die Ordnung beeindruckt«, sagte Carl. »Die Schocktherapie und die Mafia haben Sibirien offenbar noch nicht erreicht?«
    »Jedenfalls nicht in der Weise, die Sie vielleicht meinen, Herr Admiral«, erwiderte Jewgenij gedämpft. Carls Russisch hatte seinen Ehrgeiz erstickt, den Westler zu spielen.
    »Dann sagen Sie etwas über diese Weise!« forderte Carl ihn auf. »Die beiden Häuser da – das Parteihauptquartier und das KGB, wie ich vermute?«
    »Sie haben einen sehr guten Blick, Herr Admiral«, erwiderte Jewgenij verblüfft. »Das da drüben war das KGB. Neuerdings heißt es Innenministerium, aber kein Mensch hat eine Ahnung, womit die sich jetzt beschäftigen. Es sollen aber die gleichen Personen wie vorher sein. Das Parteihauptquartier hingegen ist ja verboten, wie Ihnen vielleicht bekannt ist, und…«
    »Ja, ich weiß!« unterbrach Carl ihn barsch. »Das ist Boris Jelzins Idee von Demokratie, nämlich die Parteien zu verbieten, gegen die man etwas einzuwenden hat. Und was befindet sich heute darin?«
    »Der Unternehmerverband, Herr Admiral.«
    Carl verlor nach diesen Worten sofort seine gespielte strenge Maske. Jewgenij wartete höflich ab, bis er sie wieder angelegt hatte, und erklärte dann, es gebe jetzt tatsächlich einen Unternehmerverband in Barnaul. Er selbst habe jetzt um die Mitgliedschaft nachgesucht, da er zusammen mit einer britischen Firma, die wiederum einen dänischen Partner habe, ein dschoint ventjor betreibe. Auf Carls erstaunte Frage, was das für ein biznizz sei, erwiderte Jewgenij, er veranstalte Jagden. Die Jagd sei früher staatlich gewesen, doch jetzt hätten die beiden Republiken Altaj und ihr späteres Reiseziel Gorno Altaj die Kontrolle übernommen.
    Carl fragte, worin der Unterschied zwischen staatlicher Tätigkeit unter sowjetischem Regime und staatlicher Tätigkeit in den Altaj-Republiken bestehe. Er erfuhr, daß jetzt der Grundgedanke herrsche, daß das Geld lieber in Altaj oder Gorno Altaj bleiben solle, statt nach Moskau überwiesen zu werden. Carl nickte nachdenklich bei dieser Antwort. Soweit er gelesen hatte, bestand allein Sibirien aus rund dreißig mehr oder weniger autonomen Gebieten, darunter sechs oder sieben Republiken mit eigenen Parlamenten. Alle wünschten die sofortige Selbständigkeit. Somit wurde nicht nur die Sowjetunion auseinandergesprengt, sondern selbst Rußland drohte jetzt diese Entwicklung.
    Jewgenij parkte elegant vor einem Portal eines Gebäudes ein, das im hinteren Teil Barnauls lag. Das Haus war pistaziengrün mit weißen Stuckornamenten und erinnerte Carl an den kleinen Treffpunkt, der hinter dem gewaltigen weißen Generalstabsgebäude in Moskau lag und den militärischen Besuchern aus dem Ausland zugewiesen wurde. Das Haus sah jedenfalls sehr russisch aus.
    Jewgenij bot an, sich um das Gepäck zu kümmern und gegen drei Uhr nachmittags zurückzukommen. Dann sei es Zeit, zum Flughafen zu fahren. Carl lehnte seinen Vorschlag entschieden ab, bat aber im Befehlston, daß Jewgenij beim Hinauftragen des Gepäcks helfe. Der Russe gehorchte sofort.
    Jurij Tschiwartschew machte selbst die Tür auf, als sie anklopften. Zu Carls Erstaunen trug er Uniform. Er selbst trug eine beigefarbene Wildlederjacke und dunkelbraune Cordhosen und hatte natürlich keine Krawatte umgebunden. Diese Kleidung hatte er gewählt, um möglichst bequem ein Viertel des Erdumfangs zu

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