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Im Namen Ihrer Majestät

Im Namen Ihrer Majestät

Titel: Im Namen Ihrer Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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bewältigen.
    Sie umarmten einander auf der Stelle herzlich, während eine alte Frau mit Salz und Brot hinzukam, um Carl schon auf der Schwelle willkommen zu heißen. Jewgenij trug Carls Gepäck unauffällig hinein.
    »Mein lieber schwedischer Freund. Wie es mich freut, dich nach dem Anschlag, den man auf dich verübt hat, so wohlbehalten wiederzusehen!« sagte Jurij Tschiwartschew und schüttelte Carl freundschaftlich an den Schultern, während sie das symbolische Stück Brot teilten.
    »Du möchtest natürlich gern wissen, lieber Kollege, warum ich so förmlich gekleidet bin«, fuhr er geheimnisvoll fort.
    »Aber selbstverständlich, lieber Bruder. Ich habe das Gefühl, einen Londoner Herrenclub in Shorts betreten zu haben. Was zum Teufel ist los?«
    »Du besuchst Herrenclubs in London?«
    »Darüber können wir später sprechen. Worum geht es?«
    »Es ist mein Vater. Du wirst gleich verstehen«, flüsterte Jurij Tschiwartschew, wedelte Jewgenij mit ein paar Handbewegungen zur Seite, die wohl bedeuteten, wir sehen uns später wie besprochen. Dann legte er Carl den Arm um die Schultern und führte ihn sanft, aber bestimmt in die Wohnung hinein.
    »Danke, guter Gott, für dein glänzendes Russisch. Halt dich jetzt fest«, flüsterte Jurij Tschiwartschew und öffnete zwei Schiebetüren.
    Carl holte tief Luft, fing sich einigermaßen schnell und nahm dann Haltung an.
    »Genosse Oberst! Es ist eine außerordentliche Ehre, Sie kennenzulernen!« brachte er schnell hervor.
    Vor ihm stand ein weißhaariger Mann in der Paradeuniform der alten Sowjetarmee. Den Rangabzeichen nach war er Oberst und der gewaltigen Menge von Medaillen nach zu schließen unter anderem Held der Sowjetunion.
    »Lieber Vater! Erlaube mir, dir den schwedischen Admiral Carl Hamilton vorzustellen, Träger unter anderem des Roten Sterns und des Großkreuzes des Sankt-Georgs-Ordens!« sagte Jurij Tschiwartschew theatralisch.
    »Sankt-Georgs-Orden, das ist natürlich so ein Scheiß, den dieser Jelzin erfunden hat«, stellte der weißhaarige alte Mann mißtrauisch fest.
    »Ja, lieber Vater! Er ersetzt seit kurzem die Auszeichnung Held der Sowjetunion«, erwiderte Jurij Tschiwartschew blitzschnell und militärisch.
    Es war dem Alten anzusehen, daß er überlegte. Doch dann hellte sich sein Gesicht auf, und er ging Carl mit ausgestreckten Armen entgegen.
    »Dann sind wir ja irgendwie Kollegen, mein lieber Admiral«, sagte der Alte. Er schloß Carl in die Arme und küßte ihn behutsam. Hinter dem Rücken seines Vaters machte Jurij Tschiwartschew eine schnell rotierende Bewegung mit dem Zeigefinger an der Schläfe und nickte Carl dann freundlich, aber bestimmt zu, das Spiel fortzusetzen.
    Sie aßen ein Frühstück aus geräuchertem Stör, Kaviar mit Eiern, Brot und Wodka und tranken anschließend Tee. Der Alte hielt einen militärpolitischen Vortrag, gegen den Carl nichts einzuwenden hatte, und Jurij Tschiwartschew noch weniger. Und somit ließen sich zwei der bestinformierten Nachrichtendienst-Offiziere der Welt ohne Wimpernzucken über den Großen Vaterländischen Krieg unterrichten. Der Alte bramarbasierte über die Bedeutung dieses Krieges für das weitere Schicksal der Welt.
    Urplötzlich nickte der Alte ein. Sie trugen ihn in sein Schlafzimmer und lockerten seine Kleidung, bevor sie ihn vorsichtig ins Bett legten.
    »Mein lieber Vater verträgt den Wodka nicht mehr so, wie es ihm lieb wäre«, erklärte Jurij Tschiwartschew, als sie die Tür zum Schlafzimmer vorsichtig hinter sich schlossen.
    »Du entschuldigst mich? Ich möchte mir etwas Bequemeres anziehen«, fugte er ironisch hinzu und verschwand.
    Im Salon sank Carl auf einen mit Gold bemalten Stuhl mit roter Samtpolsterung und starrte mißtrauisch auf Stalins Gesicht. Der ganze Raum wurde von einem riesigen Stalin-Porträt beherrscht. Es war in einer Ecke mit einer handgeschriebenen Widmung versehen. Das Porträt war natürlich ein Geschenk des großen Diktators an einen Oberst, der zum Helden der Sowjetunion ernannt worden war, aber dennoch lustigerweise nicht mehr geworden war als Oberst. Daß der alte Mann dennoch auf relativ großem Fuß leben konnte, ermöglichte die Auszeichnung.
    »Ich hoffe, du entschuldigst dieses Theater mit meinem lieben Vater«, sagte Jurij Tschiwartschew verlegen, als er wieder ins Zimmer trat. Er trug jetzt zivile Freizeitkleidung, die in etwa zu Carls Sachen paßte.
    »Es wäre viel schlimmer geworden, wenn du meinen Vater kennengelernt hättest«, entgegnete Carl. Er

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