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Im Namen Ihrer Majestät

Im Namen Ihrer Majestät

Titel: Im Namen Ihrer Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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in jedem Schlagloch Löwenzahn wuchs.
    Es war unklar, wer ihn abholen sollte, aber es überraschte Carl dennoch, daß es ein junger Mann mit Krawatte war, der ihn in einem Englisch ansprach, das sich eindeutig amerikanisch anhören sollte. Carl hatte nicht das Herz, auf russisch zu antworten, sondern akzeptierte schnell das Amerikanische, um den Yuppie nicht zu enttäuschen.
    Dieser stellte sich mit englischer Aussprache als »Eugene«
    vor, womit natürlich Jewgenij gemeint war.
    Eugene hatte Grüße von Mr. Tschiwartschew zu überbringen. Eugene habe den Auftrag, dafür zu sorgen, daß Carl in der Stadt für ein paar Stunden gut unterkomme. Die Maschine werde erst am Nachmittag weiterfliegen. So früh am Morgen sei Mr. Tschiwartschew noch unerreichbar. Carl akzeptierte das, ohne Fragen zu stellen, und ließ sich zu einer VIP-Lounge führen, die bedeutend eleganter war, als er erwartet hatte. Immerhin handelte es sich um eine relativ kleine Stadt in Sibirien, und daß der neue Kapitalismus schon hergefunden haben konnte, erschien Carl undenkbar. Er fragte nach dem Grund, und die Antwort war äußerst simpel: Dies sei die Lounge der hohen Tiere der Partei gewesen, erklärte Eugene. Jetzt sei es biznizzklass, obwohl die meisten Parteibonzen immer noch hohe Tiere seien, wenn auch neuerdings mit anderen Titeln.
    Der Yuppie bewegte sich sicher zwischen der nur zögernd funktionierenden Espressomaschine, dem Souvenirladen und der Bar, ließ mal hier, mal dort ein paar Worte fallen, sogar sein Russisch schien einen amerikanischen Akzent zu haben.
    Nach einiger Zeit erschienen zwei Gepäckträger mit Carls Koffern, die, soviel er sehen konnte, völlig intakt waren. Eugene-Jewgenij fertigte die Männer lässig mit je einem Dollarschein ab, bevor er Carl zu prüfen bat, ob alles noch da sei.
    Sie waren nicht allein in der Lounge. Einer kleinen Gruppe von Leuten, die auf westliche Weise gekleidet waren, wurde Tee und Espresso serviert. Vielleicht trugen sie tatsächlich westliche Kleidung, die allerdings an Menschen saß, die nicht gewohnt waren, sie zu tragen. Carl war es unangenehm, sein Gepäck öffnen zu müssen. Er schleppte die Koffer und Taschen in eine Ecke, legte sie auf ein grün-blau-braunes und stark nach Tabak riechendes Plüschsofa und öffnete die Schlösser. Eugene-Jewgenij war schnell zur Stelle und sah ihm über die Schulter. Er ließ einen Pfiff hören und sagte etwas Deplaziertes wie »starke Sachen«, obwohl unklar blieb, ob er wußte, wovon er sprach. Carl stellte rasch fest, daß alles in Ordnung zu sein schien, und fragte, was nun geschehen solle. Es sollte Frühstück geben. Kurz darauf wurde ein sehr russisch schmeckendes englisches Frühstück mit Rührei und fettem Speck serviert. Carl aß pflichtschuldig und lehnte den Vorschlag ab, zum Essen einen Whisky zu trinken; er nahm an, daß es eigentlich einen kleinen Frühstücks-Wodka hätte geben sollen, daß die veränderten Verhältnisse jetzt aber Whisky oder schlimmstenfalls Cognac in den Situationen zuließen, in denen früher Wodka getrunken worden war.
    Eugene-Jewgenij hatte einen eigenen Wagen, ein westliches Fabrikat. Carl war sich der Marke nicht sicher, bis er auf dem Lenkrad ein Fiat-Schild entdeckte. Im Wagen befand sich, wie nicht anders zu erwarten, eine Stereoanlage. Eugene-Jewgenij wollte sofort mit Hilfe amerikanischer Rockmusik die Leistungsfähigkeit der Lautsprecher demonstrieren. Nach einigen Minuten scheußlichen Lärms schrie Eugene-Jewgenij, wie Carl die Musik finde.
    »Um diese Tageszeit ziehe ich Rimskij-Korsakow vor«, erwiderte Carl auf russisch.
    »Himmel, was für ein gutes Russisch Sie sprechen, Admiral«, sagte Jewgenij verblüfft und stellte sofort die Musik ab.
    »Korrekt«, erwiderte Carl. »Ob Sie mich jetzt unverzüglich zu General Tschiwartschew fahren könnten?«
    »Zu Befehl, Admiral.«
    »Gut«, sagte Carl und lehnte sich demonstrativ nach hinten, um zu betonen, daß die Unterhaltung beendet war.
    Bis in die Stadt waren es fünfzehn Kilometer. Sie fuhren durch eine recht offene Landschaft mit kleineren Mischwäldern und großen Feldern mit Getreide. In der Nähe der Stadt tauchten die Industriegebiete auf, und an der holperigen Straße entdeckte Carl sogar neue Werbeschilder. Die meisten priesen die Vortrefflichkeit der Stadt und verschiedene Metallprodukte, die für den Export hergestellt würden, wie es neuerdings wohl heißen sollte, nämlich in andere Teile Rußlands. Viele Produkte schienen auf Silber und

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