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Im Namen Ihrer Majestät

Im Namen Ihrer Majestät

Titel: Im Namen Ihrer Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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organisierten Selbstmorde einführen könnte. Wenn ich dich recht verstanden habe, alter Knabe, scheint sie genau entgegengesetzte Interessen zu haben.«
    »Sehr lustig«, konterte Luigi. »Sie sieht aus wie ein Mannequin, besitzt aber Kenntnisse in militärischer EDV-Technik, die hohen wissenschaftlichen Anforderungen entsprechen. Das ist gelinde gesagt unerwartet, findest du nicht auch?«
    »Mag so sein, alter Knabe, mag so sein. Aber bist du fähig, das zu beurteilen?«
    »Verdammt, genau dafür sitzen wir doch hier!« knurrte Luigi irritiert. »Was glaubst du wohl, was ich draußen in Addlestone den ganzen Tag an meinem Bildschirm tue? Glaubst du, ich spiele Batman und wetze meine Messer?«
    »Well, well, was immer du sagst, lieber Kollege«, erwiderte der MI-6-Mann, ohne auch nur im mindesten zu verraten, ob er sich durch Luigis sehr amerikanische und direkte Art verletzt fühlte. »Aber selbst wenn sich herausstellt, daß Lady Carmen nun bedeutend mehr besitzt als nur eine erotische Begabung, was sollen wir deiner Meinung nach dagegen unternehmen?«
    »Ich hätte gern eine Erklärung. Ich würde gern wissen, welche Ausbildung sie hat und woher sie kommt, zum Beispiel«, erwiderte Luigi diszipliniert und geduldig. Die Sache schien ihm logisch zu sein.
    Seinem britischen Kollegen schien sie überhaupt nicht logisch zu sein, da er die Stirn runzelte und lange nachdachte, bevor er einige, wie es schien, sehr sorgfältig gewählte Worte äußerte.
    »Obwohl die Erkenntnisse, die wir durch dich zufällig über den nächtlichen Lebenswandel Lady Carmens gewonnen haben, als Zusatzinformation zu betrachten ist, die mit Delikatesse und Zurückhaltung behandelt werden sollte, vermag ich nicht zu erkennen, daß es geeignet wäre, wenn wir Dienstinformationen so außerordentlich privaten Charakters sozusagen in die andere Richtung verbreiten«, sagte er gedehnt und machte dann ein Gesicht, als hätte er soeben staatsmännische Worte abgeliefert. Er lehnte sich leicht zurück und stützte sich auf seinen Regenschirm.
    »Du meinst also, daß mir Lady Carmens Hintergrund scheißegal sein soll?« fragte Luigi beherrscht.
    »In klarem Englisch könnte man es möglicherweise so ausdrücken, ja, ich denke schon«, entgegnete sein Kollege kühl. Luigi seufzte und nickte zum Zeichen, daß er verstanden und den Bescheid akzeptiert hatte. Es erschien ihm zwecklos, weiter in der Sache zu argumentieren, da er dann seine Entscheidung, die Affäre nicht sofort zu beenden, um sich statt dessen ausschließlich seinem Job zu widmen, verteidigen mußte.
    Der Mann des britischen Nachrichtendienstes erhob sich langsam, rückte einige für Luigi nicht wahrnehmbare Details an seiner Kleidung zurecht, klopfte Luigi mit seinem Regenschirm freundlich auf die Schulter, bemerkte, das sei für heute wohl alles, und ging. Luigi sank auf seinen Sitz und legte die Stirn auf die Bank vor sich wie zum Gebet. Er redete sich ein, daß Lady Carmen seiner ohnehin schon recht bald überdrüssig sein würde. Das wäre das natürliche Ende ihrer Geschichte, vielleicht machte sie ihn sogar einer Freundin zum Geschenk. Im Hinblick auf seinen Auftrag konnte er dem aufgeblasenen Kollegen vom MI 6 immerhin darin recht geben, daß man sich nur schwer vorstellen konnte, daß »die sicher sehr ehrbare Ehefrau des früheren Verteidigungsministers uns in das Mysterium der organisierten Selbstmorde einführen könnte«.
    In einem Versuch, sich selbst gegenüber aufrichtig zu sein, stellte Luigi fest, daß er tatsächlich eine Menge Zeit an private Vergnügungen verschwendete, die seinem Auftrag nicht so recht entsprachen. Im nächsten Atemzug sah er auf die Armbanduhr, in wenigen Stunden würde er nackt bei ihr sein. Er akzeptierte sofort seine nur scheinbar rationale Hypothese, daß es merkwürdig aussehen würde, wenn er jetzt einfach Schluß machte, und er deswegen ihr diese Initiative überlassen sollte. Dann stand er auf und ging.
    *
    Als die kleine dreimotorige YAK-40-Maschine auf der kurzen und unebenen Landebahn von Ust-Koksa aufsetzte, hatte Carl das Gefühl, am Ende aller Fluglinien dieser Welt angelangt zu sein.
    Hier sah es aus wie in einem Tal im schweizerischen Tiefland nahe der Alpen. Die Maschine rollte auf das einzige Haus zu, ein großes, ziemlich baufälliges Gebäude aus Holz ohne Farbanstrich und mit einem krakeligen, von Hand gemalten blauen Text über dem Eingang. Dort stand Ust-Koksa AEROFLOT.
    Im Grunde hatten sie tatsächlich den äußersten Punkt

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