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Im Namen Ihrer Majestät

Im Namen Ihrer Majestät

Titel: Im Namen Ihrer Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Fahrstuhl zu nehmen?«
    »Vorausgesetzt, wir sind allein im Fahrstuhl. Sonst landen wir mit Foto in The Sun, und ich glaube, daß dein Mann das nicht sehr schätzen würde«, erwiderte Luigi gespielt trocken.
    *
    Auf dem außerhalb Moskaus gelegenen Flughafen Domodedewo landen die Maschinen aus sibirischen und zentralasiatischen Städten die ganze Nacht. Einige der alten Aeroflot-Maschinen sind bemalt worden und tragen jetzt die Embleme der neuen kasachischen, aserbaidschanischen und georgischen Fluglinien. Auf Domodedewo selbst ist beinahe alles beim alten geblieben: die gleiche ungeheure Zahl von Passagieren, die gleiche grünblaue schwache Beleuchtung und die Verwirrung der Menschen aus asiatischen und sibirischen Städten, die verzweifelt hin und her rennen, um die Information zu finden, die es nur aus dröhnenden Lautsprechern mit elektronischem Hall gibt, in einem Russisch, das selbst für Russen sehr schwer zu verstehen sein muß. Ein Menschenmeer in schwacher Beleuchtung mitten in der Nacht, dazu Urindünste, russischer Tabakduft und der Gestank von Kerosin. Zwei oder drei vor Angst gelähmte Polizisten stehen inmitten der größten Halle und versuchen, tausend Menschen gleichzeitig den Rücken zuzuwenden.
    Das einzige, was Schocktherapie und Demokratie hier draußen in Domodedewo bewirkt haben, ist selbst für den naivsten Beobachter sichtbar. Es sind die Rudel junger Männer in schwarzen Lederjacken mit Zigarette im Mundwinkel, die mit forschenden Blicken auf und ab schlendern, um ihre Opfer auszuwählen.
    Sämtliche Verkehrsverbindungen von und nach Domodedewo werden von diesen Gangsterbanden beherrscht. Niemand darf einen gewöhnlichen Bus nehmen, wenn es ihm nicht von den Gangstern erlaubt wird, niemand darf sein eigenes Taxi wählen. Reisende aus den Städten Zentralasiens, auf deren Flughäfen inzwischen Tax-Free-Läden eingeführt worden sind, schleppen oft braune Pappkartons mit der Aufschrift Sony mit sich herum, in denen begehrenswerte elektronische Ausrüstung steckt. Diese Leute werden ausgeraubt, vielleicht sogar ermordet und nach ihrem Tod beseitigt. Doch sonst ist alles wie zu Zeiten der alten Sowjetunion.
    Diesmal hatte Carl akzeptiert, einen Erster-Klasse-Platz in der Tupolew-Maschine einzunehmen, und zwar ohne jedes schlechte Gewissen. Das berechtigte ihn nämlich bei der Ankunft zu einem besonderen Gepäckservice von Intourist. Er hatte sich genau erkundigt, wie und wo er sein Gepäck wiederbekommen würde. In Sibirien wurde nichts gestohlen. In Sibirien war es immer noch verboten. Überdies betrachtete man das Stehlen dort mit dickschädeliger russischer Beharrlichkeit immer noch als unmoralisch. Das hatte Jurij Tschiwartschew ihm lachend versichert, als sie einander auf dem Flugplatz von Barnaul zum Abschied umarmt hatten.
    Carl hatte sich bei der Ankunft in Domodedewo jede weitere militärische Aufwartung verbeten, mit Hinweis darauf, daß er wirklich nur sein Gepäck abholen und mit einem Taxi zum Metropol fahren müsse. Er wolle nur eine Nacht dort schlafen, bevor er weiterfliege. Das, so meinte er, werde er doch wohl hoffentlich allein schaffen. Jurij Tschiwartschew war nicht weiter in ihn gedrungen, sondern hatte nur lahm gewitzelt, wie schade es wäre, wenn eine politische Krise nur deshalb ausgelöst würde, weil Carl auf Domodedewo in einem falschen Taxi lande.
    Carl hatte in der Maschine vor allem deshalb schlecht geschlafen, weil alles, was den Job betraf, zum Stillstand gekommen war. Er mußte noch einmal nach Sibirien zurück, um auf eine sogenannte Jagd zu gehen; sie hatten abgemacht, daß er seinen Maralhirsch später schießen sollte, nämlich in der Brunftzeit, wenn die Hirsche sich durch ihr Gebrüll verrieten und weniger wachsam waren. Der wirkliche Grund war natürlich, daß Jurij Tschiwartschew inzwischen in Erfahrung bringen wollte, ob Carls Angaben über eine Liquidierungskampagne in London vom militärischen Nachrichtendienst der Russen durchgeführt wurde.
    Carl hatte während der Reise viel geweint. Er hatte nach Erinnerungen an Johanna Louise gesucht, sah in ewigen Wiederholungen ihr lachendes Gesicht vor sich, dachte an ihren Vorderzahn, sah, wie sie zum letzten Mal sein Krankenzimmer verließ und sich schüchtern zu ihm umdrehte. Sie hatte sich an den Mund gefaßt, in dem beide Vorderzähne fehlten. Dann waren ihm Bilder von Eva-Britt durch den Kopf geschossen. Er sah, wie sie sich zum ersten Mal begegneten, wie er ihr sagte, daß er sich scheiden lassen

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