Im Namen Ihrer Majestät
wolle, sah, wie sie sich draußen in den Schären geliebt hatten, nachdem er nach der Armbanduhr einer ihrer Freundinnen getaucht war.
In Sibirien hatte er keine Zeit für Trauer gehabt. Dort hatte er die Möglichkeit gehabt, alles mit dem mehr oder weniger unehrlichen Hinweis darauf zu verdrängen, etwas ungeheuer Wichtiges zu tun zu haben. In dem nach Schweiß riechenden und unaufgeräumten russischen Flugzeug waren alle diese Abwehrmechanismen verschwunden. In der Maschine waren nur noch seine Trauer und seine körperlichen Schmerzen geblieben.
Er war miserabler Laune, schwitzte vor Angst, war unrasiert und roch vermutlich genauso schlecht wie die meisten Menschen in seiner Umgebung, als er in Domodedewo die Maschine verließ und sich zu der Gepäckaufbewahrung von Intourist begab. Er konnte nirgends einen Gepäckwagen entdecken und mußte seinen schweren Koffer fluchend selber tragen. Langsam ging er in dem Gedränge asiatischer Menschen zum Ausgang.
Er war noch nicht weit gekommen, als das erste Rudel junger Männer ihn umringte und sich drohend erbot, ihm ein Taxi zu besorgen. Und das in einer Sprache, die Englisch darstellen sollte. Sie nannten ihn unaufhörlich guy.
He da, guy. Wir besorgen dir ein Taxi, guy, ein guy wie du muß ein Taxi haben.
Er fauchte sie auf englisch an, er sei auf dem Weg zum Ausgang und brauche verdammt noch mal keinerlei Hilfe. Taxis gebe es da draußen. Unterdessen streichelten sie seinen Waffenkoffer lüstern mit den Blicken.
Außerhalb der Halle befand sich eine Menschenmasse. In verschiedenen Sprachen wurde mit den Taxifahrern verhandelt. Es gab kaum Lampen, und fünfzig Meter weiter begann der schwarze Nadelwald. Carl erinnerte sich vom letzten Mal, daß man einige Dutzend Kilometer auf einer unbeleuchteten Straße fuhr, bevor die Vororte und damit die Straßenbeleuchtung begannen.
Ein neues Wolfsrudel stürzte sich auf ihn, um ihm ein Taxi anzudrehen. Eine Eingebung riet Carl, nicht auf russisch zu antworten. Ihnen war offenbar bewußt, was sich in seinem Waffenkoffer befand.
Diesmal ließ Carl sich auf Verhandlungen ein. Sie begannen mit einer Forderung von zweihundert Dollar für die Fahrt in die Stadt. Er bot fünfundzwanzig. Sie feilschten eine Weile, bis Carl darauf hingewiesen wurde, daß sie ohnehin allein zu entscheiden hätten, wer mit einem Taxi fahren dürfe und wer nicht. Er gab sich arrogant und desinteressiert, gab zu, Amerikaner zu sein, stritt ab, Raucher zu sein und lauschte ihrem kaum verständlichen Slang.
Als das Taxi vorfuhr, das die jungen Ganoven für ihn ausgewählt hatten, und ihm drei grinsende Männer mit dem Gepäck halfen, tat er, als suchte er in einer der Taschen nach etwas. Dann sagte er, er habe doch Zigaretten bei sich, und steckte schnell ein Messer ein, für das er bisher keine Verwendung gefunden hatte. In der Dunkelheit hier draußen würde es ihm nützlich sein, da die Klinge aus reflexfreiem schwarzem Stahl gearbeitet war. Aus den geflüsterten Unterhaltungen der jungen Ganoven ging hervor, daß Carl offenbar an dem üblichen Ort einer wartenden Bande ausgeliefert werden sollte, die ihn ausrauben wollte.
Sie hielten ihm liebedienerisch die hintere Tür auf, doch er schlug sie demonstrativ zu und sagte, ihm werde übel, wenn er auf dem Rücksitz fahre. Er ziehe es vor, vorn zu sitzen. Sie versuchten, ihn daran zu hindern, doch er schob sie mit ein paar Armbewegungen zur Seite. Dann setzte er sich mit ein paar scherzhaften Worten vorn hin und knallte die Tür zu. Um ein Haar hätte er einem der jungen Wölfe die Finger abgeschnitten. Dann resignierten die Männer und gaben dem nervösen Fahrer ein paar letzte Anweisungen. Dann startete der gelbe Wolga unter lautem Ächzen und rumpelte zwischen Schlaglöchern im Asphalt los.
»Ich njet viel Englisch sprechen«, sagte der Fahrer mit einem nervösen Lächeln, als der Wagen durch die Dunkelheit auf den dichten Fichtenwald zuglitt.
»Das stört mich nicht im geringsten. Ich bin nämlich verdammt müde«, sagte Carl und lehnte sich zurück, als wollte er schlafen. Im Moment war ihm alles egal.
Zehn Minuten lang wartete Carl hellwach und angespannt, wenn auch zurückgelehnt, als schliefe er fast, und blickte zwischen halbgeschlossenen Augen hervor.
Als der Fahrer plötzlich herunterschaltete und Anstalten machte, auf einen kleinen Waldweg abzubiegen, zog Carl sein Messer und legte es dem Fahrer an den Hals.
»Halten Sie hier an!« befahl er auf russisch. Der Mann gehorchte sofort.
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