Im Namen Ihrer Majestät
Auszeichnung entgegennehmen. Und ich habe das dumpfe Gefühl, daß Carl Bildt es, sagen wir, nicht ebenso eilig hat, sich an die Seite Arafats zu stellen, wie uns zur amerikanischen Botschaft zu kommandieren. Wenn ich jetzt nach Tunis fliege und neben Arafat vor die Öffentlichkeit trete, wird Bildt vor Wut platzen, und damit taucht die komische Frage auf, wie dumm ich mich eigentlich stellen darf.«
»Eine sehr interessante Frage«, entgegnete Tessie ironisch.
»Dummheit ist ja eins deiner markantesten Kennzeichen.«
»Genau«, sagte Carl mit einem Lächeln. »Manchmal kann ich in politischer Hinsicht bemerkenswert naiv sein. Was werde ich sagen. Was? War es falsch , in meiner Freizeit nach Tunis zu reisen und Arafat zu begrüßen? Er hat doch die Operation Green Dragon erst ermöglicht, und es war ja auch nicht falsch, zur amerikanischen Botschaft zu gehen. Was? Meinst du etwa, ich hätte deine Genehmigung einholen sollen? Aber hör mal, das gilt doch nur für Auszeichnungen eines fremden Staates, und ich habe nicht gewußt, daß Arafat in deinen Augen ein Staatschef ist.«
Carl legte sich seinen Sohn über die Schulter, klopfte ihm vorsichtig auf den Rücken, bis er ein paar deutlich hörbare Bäuerchen ausgelöst hatte.
»Was für ein Glück, daß ich ein politischer Idiot bin«, sagte er lachend.
Tessie fiel auf, daß er in diesem Augenblick vollkommen entspannt und ausgeglichen wirkte, als wäre alle Grübelei über Emigration und Trennung von der Tochter vorüber, als hätte er sich auch damit abgefunden, das militärische Leben hinter sich zu lassen, um, wie er manchmal witzelte, zu einem gewöhnlichen Malocher zu werden, einem unbewaffneten Malocher.
Ein ernstes Problem, das Carl mit Tessie nicht einmal andeutungsweise besprochen hatte, war der Umstand, daß er sich in der sogenannten sicherheitspolitischen Analysegruppe des Ministerpräsidenten, der persönlichen Nachrichtenzentrale des Regierungschefs, zunehmend isoliert fühlte. Es gab einen Riß in der Gruppe, der Tag für Tag unwiderruflich größer wurde. Dabei ging es in der Hauptsache um die Ansichten über die Entwicklung in Rußland und den baltischen Staaten, den Gebieten, die für den militärischen und politischen Nachrichtendienst Schwedens zunehmend interessanter wurden und alles andere überschatteten.
Carls offizielle Hauptaufgabe bestand darin, Analyseergebnisse des Nachrichtendienstes des Regierungschefs und des militärischen Nachrichtendienstes zu synchronisieren. Er war so etwas wie ein Verbindungsoffizier zwischen den beiden Einheiten und traf einmal pro Woche mit Samuel Ulfsson im Generalstab zusammen, um Informationen auszutauschen und analytische Ergebnisse abzuwägen.
Die Schwierigkeit war, daß der Ministerpräsident und einige seiner Berater sich ganz einfach weigerten, nachrichtendienstliches Material, das ihren Thesen zuwiderlief und nicht dem entsprach, was man von »hochgestellten Quellen der Regierung im Kreml« erfuhr, zu akzeptieren. Hauptquelle der Regierung war ein schwedischer Professor, der als Wirtschaftsberater für die russische Regierung arbeitete. Der Ministerpräsident vertrat die Ansicht, daß eine ökonomische Schocktherapie für das russische Volk nützlich sei. Sie werde schnell Wohlstand, Kapitalismus und Demokratie bringen – das entsprach den Ideen des schwedischen Professors.
Die Analysen des militärischen Nachrichtendienstes sahen erheblich düsterer aus. Beim Militär war man der Ansicht, daß die zunehmende Unzufriedenheit beim Volk mit etwas, was die Allgemeinheit in Rußland eher als eine Gangsterkomödie ansah denn als eine Therapie, sich schon bald zu einem Bürgerkrieg auswachsen könnte. Bereits der Gegensatz zwischen Parlament und dem russischen Präsidenten laufe darauf hinaus, in Gewaltakten zu enden. Und die näherrückende Wahl werde vermutlich kaum anständige demokratische Kräfte begünstigen, sondern ganz im Gegenteil lose zusammengefügte Gruppierungen aus Ultra-Nationalisten, Demokratiefeinden, Antisemiten und Kommunisten vom alten Schlag stärken.
Schon jetzt breitete sich in Moskau eine Dolchstoßlegende aus, derzufolge die westliche Welt eine vorübergehende Schwäche Rußlands ausnutzen wolle. Die westliche Welt und die Juden hätten sich miteinander verschworen und dem Saufbold Jelzin eingeredet, eine sogenannte »Schocktherapie« werde alle ökonomischen Probleme lösen. In Wahrheit ziele man mit dieser Schocktherapie darauf ab, Rußland in seine Bestandteile zu
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