Im Namen Ihrer Majestät
Spritzer. Carl nahm die Toilettenbürste und säuberte die Schüssel, bis nichts mehr zu sehen war.
Dann ging er wieder ins Wohnzimmer, legte zwei Pfundmünzen auf das Silbertablett. Er griff zum Telefon und erklärte einem Hotelangestellten am anderen Ende, ihm sei ein kleines Mißgeschick passiert. Er wolle die Saftflecken sofort vom Teppich in seinem Zimmer entfernt haben. Im übrigen befinde er sich im Schlafzimmer und wolle nicht gestört werden.
Im Schlafzimmer machte er seinen weißen Morgenmantel auf, legte sich auf das große Bett und sah an die Decke. Sizilianisches Blut, dachte er. Die Erinnerungen an Joar Lundwall, der hustend und Blut speiend auf dem Straßenpflaster lag, überwältigte ihn, und er fand keine Möglichkeit, ihnen ein Ende zu machen.
Joar war in seinen Armen gestorben. Doch der Tod an sich war nicht das Problem. Die Möglichkeit, im Dienst zu sterben, gehörte zu den Risiken ihres Arbeitsverhältnisses. Aber es war seine, Carls, Schuld gewesen. Es hatte an seiner Arroganz gelegen. Er hatte darauf bestanden, keine Waffen zu tragen, weil sie ja nur mit diesen »kleinen Gangstern« verhandeln sollten. Seine Entscheidung war nachweisbar falsch gewesen. Hätten sie Waffen getragen, hätten sie diese beiden verfluchten sizilianischen Mörder erschossen, bevor diese auf ihrem Motorrad in Schußposition gekommen wären.
Doch es war nicht nur Joar. Stan, Burt und die drei Mexikaner, deren Namen er nicht einmal kannte, waren ebenfalls aufgrund seiner Arroganz gestorben. Dieser alberne Trick, einen Sorgerechtsstreit beeinflussen zu wollen, indem er in der Los Angeles Times Publizität schuf, hatte dazu geführt, daß ganze Karten und Lagebeschreibungen veröffentlicht wurden, und die Mörder nur noch hinzuspazieren brauchten.
Eva-Britt und Johanna Louise. Er hatte Eva-Britt gesagt, sie solle lieber verreisen. Dann war er zu dumm und zurückhaltend gewesen, ihr mit Nachdruck klarzumachen, wie ernst es war. Er hatte sich nicht mal die Mühe gemacht, ihr die Risiken zu erklären. Und einige Stunden später waren beide tot gewesen.
Da draußen irgendwo befand sich Luigi, Luigi wußte nicht, daß die Frau, die er für Lady Carmen hielt und die angeblich aus Spanien stammte, in Wahrheit Major Tatjana Simonescu hieß und aus der Republik Moldawa kam, wie Moldawien nach 1990 hieß. Geboren in Kischinjow. Ihre Eltern waren Rumänen. Sie war zu Hause mit einer lateinischen Sprache aufgewachsen und hatte in der Schule Russisch gelernt. Sie sprach mit einiger Leichtigkeit Spanisch und Italienisch und jetzt überdies Englisch; irgendwo in Luigis Papieren hatte es geheißen, er werde aus ihrem Akzent nicht schlau und habe vermutet, sie stamme vielleicht aus Portugal. Die richtige Antwort lautete also Kischinjow in Moldawien.
Die britischen Bestien hatten Luigi nichts davon berichtet und vermutlich nicht, weil sie der Meinung waren, daß es am klügsten sei, wenn Luigis schwedischer Chef ihm die dramatische Nachricht überbrachte. Sie hielten ihn vielmehr ganz einfach für eine quantité négligeable, einen Mann, den man ohne weiteres opfern konnte. Falls Luigi ermordet wurde, würden sie es wahrscheinlich als »äußerst peinlich« ansehen oder auch nur als »leicht ironisch«.
Carl erkannte, daß er sich zusammennehmen mußte. Selbstanklagen und Zynismen mußten warten, bis Luigi in der Maschine nach Hause saß, im günstigsten Fall also in achtundvierzig Stunden.
Carl versuchte zu schlafen. Als er beinahe eingeschlafen war, fielen ihm die Morgennachrichten aus Moskau ein. Carl stand auf und holte die Fernbedienung des Fernsehers und schaltete CNN ein. Auf dem Schirm erschien ein Werbespot. Er ging wieder ins Bett und trocknete sich mit dem weichen Frottee des Bademantels ab; eigenartigerweise schwitzte er immer noch.
Einige Zeit später sah er, wie das Weiße Haus in Moskau von Panzern beschossen wurde und Truppen vorrückten. Er ging näher an den Fernseher heran und betrachtete aufmerksam die Bilder, um zu sehen, welche Truppen eingesetzt wurden, wie sie ausgerüstet waren und wie ihre Uniformen aussahen. Es mußte sich um Eliteverbände der Sowjetarmee handeln, die um Moskau stationiert waren. Diese Truppen hätten nicht zugunsten Jelzins eingegriffen, wenn nicht die Führung der Sowjetarmee so entschieden hätte. Carl schaltete erleichtert den Fernseher aus. Die Armee würde die Lage schon bald unter Kontrolle haben, und die Soldaten würden in ihre Kasernen zurückkehren. Von einem Staatsstreich
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