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Im Namen Ihrer Majestät

Im Namen Ihrer Majestät

Titel: Im Namen Ihrer Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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der modernen Geschichte des Landes mag das eigentümlich erscheinen, denn der Mord an dem vorvorigen Ministerpräsidenten quält die Nation noch immer, erfreut allerdings die Sensationspresse.
    Carl war sich der taktischen Schwäche dieser Gegebenheiten durchaus bewußt. Er hatte einmal auf der Treppe der Kunstakademie gestanden, nachdem er mit Tessie eine Ausstellung für Debütanten besucht hatte und zufällig gesehen, wie ungefähr die Hälfte der schwedischen Regierung gleichzeitig das Regierungsgebäude verließ. Er hatte mit den Fingern auf sie gezeigt und die Sekunden gezählt. In den sieben oder acht Sekunden, die er zur Verfügung gehabt hätte, hätte er die halbe Regierung auslöschen können; er verließ Rosenbad nie, ohne einen Blick auf die Kunstakademie zu werfen.
    Jetzt kam er als erster aus der Tür. Die Uniform machte ihn zu einer perfekten Zielscheibe, und er wußte es. Die Burschen mit den Sonnenbrillen im Hintergrund machten das Ziel noch deutlicher.
    In dem Moment, in dem Carl in das Schußfeld hinauskam, blickte er gewohnheitsmäßig zur Treppe der Kunstakademie hinüber. Er sah die beiden Männer, die wie Hippies aufgemacht waren: Stirnband, farbenfrohe Kleidung, grüner Rucksack bei dem einen, lila Sporttasche bei dem anderen.
    Entscheidend war ihre gleichzeitige deutliche Bewegung. Im nachhinein war das einzige, woran er sich nicht genau erinnerte, wie und wann er seine Waffe zog. Er zielte jedoch in dem Augenblick auf sie, in dem die beiden zu schießen begannen. Und als er den linksstehenden Mann traf, glaubte er, von einem der Säpo-Männer einen Schlag erhalten zu haben, denn er mußte neu anlegen. Er sah das Mündungsfeuer einer Automatikwaffe, ignorierte aber die Gefahr, da es für alles andere zu spät war. Er ließ sich viel Zeit, drückte weich ab und schoß schnell weiter. Er sah die Treffer, sah aber noch mehr als das. Er sah, wie er traf. Er ließ die Pistolenmündung schnell über den Rest des offenen Schußfelds gleiten und stellte fest, daß der Feind niedergekämpft war. Da sicherte er seine Waffe.
    Jetzt erst kam die Panik der Umgebung. Carl hörte Schreie und sah Menschen laufen. Er warf einen Blick hinter sich und entdeckte seine beiden Leibwächter, die ihre Pistolen mit beiden Händen umfaßten und schossen, obwohl für ihn unklar war, auf was oder wen. Er spürte die Druckwellen im Gesicht und den Geruch von Kordit. Er befahl den beiden, das Feuer einzustellen, und die gewöhnliche Polizei zu rufen. Außerdem sollten sie die beiden Attentäter sichern. Dann humpelte er ins Haus. Erst jetzt merkte er, daß er nicht laufen konnte. Er gab den ABAB-Wachen ein Zeichen, schnell das Schloß der inneren Tür zu öffnen, und verschwand zu den Fahrstühlen.
    Einer war gerade angekommen, und Menschen quollen heraus und sahen ihn merkwürdig an. Er schob Leute beiseite, die ihm im Weg standen, schloß die Fahrstuhltür und drückte auf den Knopf zum Stockwerk des Ministerpräsidenten. Er taumelte aus dem Fahrstuhl. Er wußte nicht, weshalb er nicht laufen konnte. Schnell überwand er das Zahlenschloß zur Abteilung des Regierungschefs. Er erinnerte sich an die Sekretärin, als er an ihr vorbeitaumelte, an ihren Gesichtsausdruck. Und erst jetzt verstand er, daß er getroffen war.
    Er torkelte fast, als er durch die letzte Tür zum Ministerpräsidenten ging. Endlich entdeckte er, daß er eine Blutspur hinter sich herzog, einen roten Streifen, der auf dem Teppichboden bis zur Sekretärin verlief, die auf ihn zurannte. Außerdem hatte er die helle Holztür des Ministerpräsidenten mit Blut bespritzt. Als er es sah, blieb er zögernd in der Türöffnung stehen.
    Im Arbeitszimmer machten gerade mehrere Menschen dem Regierungschef ihre Aufwartung. Carl erfuhr erst lange Zeit später, daß es die Vereinigung Prominenter Frauen gegen Pelz oder eine Organisation mit einem ähnlichen Namen war. Ehrenvorsitzende war eine rothaarige ehemalige Opernsängerin. Carl entdeckte einen freien Sessel, der ein wenig abseits stand, ging hin und sank darauf. Es war totenstill im Raum. Alle starrten ihn an. Die Sekretärin war unentschlossen in der Tür stehengeblieben.
    »Verzeihung, daß ich mich so aufdränge«, flüsterte Carl.
    »Wir haben zwei vermutlich tote Terroristen vor dem Haupteingang. Wir brauchen drei Krankenwagen.«
    Keiner sagte etwas, keiner bewegte sich – nur die Sekretärin rannte zum nächstgelegenen Telefon, dem auf dem Schreibtisch des Regierungschefs.
    Carl fühlte sich wie

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