Im Namen Ihrer Majestät
berauscht. Er mußte sich anstrengen, um aufrecht zu sitzen. Er blickte auf sein Bein. Dort sah er einen stark pulsierenden Blutstrom unter dem zerschossenen Hosenbein.
»Ich bitte um Entschuldigung, Herr Ministerpräsident«, lallte er, während er den Gürtel löste und ihn um den Schenkel band, »aber das, was wir über ein Pressekommunique gesagt haben, dürfte wohl nicht mehr gelten…«
Er verlor den Faden und hörte nicht, ob er eine Antwort erhielt. Erst jetzt begann er den Schmerz im Körper zu spüren, faßte sich ein Stück über der Taille in die Seite und entdeckte, daß er Blut und einen grünbraunen Brei in der Hand hatte. Bauchschuß, stellte er fest, ich habe zwei Treffer in mir.
Jemand rannte zu ihm und zog ihn auf den Fußboden herunter. Carl murmelte eine Anweisung, sie müßten ihm den Gürtel fester um den Schenkel ziehen; der pulsierende Blutstrom verriet, daß eine Arterie getroffen war. Als sein Kopf auf den weichen Teppich sank, mußte er würgen und hustete Blut. Das Letzte, was er dachte, war: Ich habe einen Bauchschuß und mache gleich den Teppich schmutzig.
*
In den folgenden vierundzwanzig Stunden gab es für die Medien nur ein Thema. Und wie nicht anders zu erwarten, wurden unterschiedliche und widersprüchliche Versionen des Anschlags präsentiert.
Eines schien jedoch klar zu sein. Palästinensische Terroristen hatten versucht, Carl Hamilton zu ermorden, als dieser Rosenbad verließ. Ihr Feuer war erwidert worden, und sie waren von den Leibwächtern der Sicherheitspolizei erschossen worden. Eine fünfzig Meter von den Terroristen entfernt stehende Passantin war ebenfalls getroffen, aber nur leicht verwundet worden.
Carl Hamilton wurde mehr als zehn Stunden lang im Karolinischen Krankenhaus operiert. In dieser Zeit riegelte die Polizei die Umgebung des Tatorts hermetisch ab. Erst spät am Abend konnten die Chirurgen, die Carl operiert hatten, eine Pressekonferenz abhalten, bei der sie ihre Eingriffe detailliert schilderten und Farbfotos und Röntgenbilder zeigten. Der Verlauf der ärztlichen Bemühungen ergab folgendes Bild:
Eine Kugel war am äußeren Rand des Brustkorbs eingedrungen, gleich neben dem linken Oberarm. Das Geschoß war beim Aufprall zersplittert, und ein Fragment war in die obere linke Lungenspitze eingedrungen. Der Splitter war entfernt worden. Ein weiteres Geschoß war an der linken Körperseite in die Taille eingedrungen und im Körper verblieben, nachdem es das Bauchfell durchschlagen und den äußeren Rand des Gekröses verletzt hatte. Die Kugel war unbeschädigt entfernt worden. Die Polizei hatte sie beschlagnahmt und mitgeteilt, daß es sich um sogenannte Hohlspitzmunition handle, die so konstruiert sei, daß sie nach dem Aufprall zersplittern solle, um im Körper möglichst großen Schaden anzurichten. Aufgrund der Genfer Konvention sei solche Munition grundsätzlich verboten.
Das dritte Geschoß hatte die Innenseite des linken Schenkels getroffen und relativ geringe Verletzungen ausgelöst, wenn man davon absieht, daß es den Blutkreislauf erheblich beeinträchtigt hatte; die Ärzte widmeten der Beschreibung ihrer fast klempnerähnlichen Arbeit an diesen Verletzungen geraume Zeit.
Der Zustand des Patienten, erklärten sie, sei nicht mehr lebensbedrohend, sondern stabil. Ein wichtiger Grund dafür sei natürlich die einzigartige Konstitution des Patienten. Er werde am folgenden Morgen sicher in der Lage sein, Besuch zu empfangen.
Doch schon während der Nacht wurde der immer noch bewußtlose Carl in ein kleineres Krankenhaus verlegt, das Sophiaheim am Valhallavägen. Die anscheinend riskante schnelle Verlegung wurde mit Sicherheitsüberlegungen begründet. Das Karolinische Krankenhaus ist eine riesige Anlage mit einem Gewimmel von Ein und Ausgängen, so daß eine wirksame Überwachung fast unmöglich ist. Das Sophiaheim ist von parkähnlichem Gelände und einem eisernen Zaun umgeben. In diesem Park glänzten und leuchteten jetzt überall Waffen, Nachtsichtgeräte und Blaulicht. Die spezielle Antiterroreinheit der Polizei hielt das Sophiaheim in festem Griff, so daß Ärzte, Krankenschwestern und das übrige Personal große Mühe hatten, hinein oder hinauszugehen, ohne von Polizeibeamten verprügelt zu werden.
Die Antiterroreinheit übernahm im Laufe der Nacht noch andere Aufgaben. Einige arabische und kurdische Buchcafés sowie die bekannten Schlupfwinkel dieser Gruppen wurden Razzien unterzogen. Als die Nacht zu Ende ging, waren mindestens fünfzig
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