Im Netz der Meister 2
ist ein Notfall.
Aber es gab keine Rettung.
»Du Scheiß-Sadistensau!«, schrie Simone, als Gerald gegen zehn Uhr grinsend die Tür öffnete.
»Und dann? Erzähl bloß weiter, ich hab schon Bauchweh vor Lachen«, forderte Ute.
»Nix weiter. Er hat mich losgemacht, ich hab ihm eine gescheuert, weil ich wirklich wütend war, und dann hab ich mich in die Küche gesetzt und mir ne Flasche Wein aufgemacht.«
»Du hast ihn geohrfeigt? Oje, klingt nicht nach gesunder Rollenverteilung. Das kannst du doch nicht machen!«
»Nimm du ihn noch in Schutz! Er hat alles damit erklärt, dass er unterwegs einen Anruf von Anna bekam. Elfchen war depressiv und brauchte Wortstreicheln und Streichelworte.«
»Wie bitte?«
»Ja. Solche Ausdrücke benutzt er neuerdings. Lippenleise und zärtlichzart. Und er hat sie auf dem Handy angerufen und fast zwei Stunden lang mit ihr telefoniert. Mit dem Handy, Ute, das geht von unserem gemeinsamen Konto runter!«
»Hat er dir erzählt, ob was zwischen den beiden läuft?«
»Er findet sie faszinierend. Eine Elfe, ein Prinzesschen. Aktiviert seinen Beschützerinstinkt. Sie schreiben sich mehrmals täglich ellenlange Mails, er hat’s mir gesagt. Er hat sein Passwort geändert, weil es ein Vertrauensbruch wäre, wenn ich Elfchens Privatissima läse.«
Simone merkte selbst, dass sie ihre Worte übertrieben betonte. Sie war sauer, weil Gerald sich nicht an ihre Vereinbarung hielt, immer offen zueinander zu sein und nie wieder Geheimnisse voreinander zu haben.
»Ich möchte mal wissen, was diese Scheiß-Anna ihm erzählt und womit sie ihn so weich kocht. Der ist wie ausgewechselt, ich kenne meinen eigenen Mann nicht mehr.«
»Lass ihn einfach, Simone. Er ist fast fünfzig, hast du gesagt. Vielleicht braucht er noch mal das Gefühl, von einer jungen Frau begehrt zu werden. Ihr habt euch für die offene Ehe entschieden. Das ist modern und mutig zugleich. Aber es erfordert ein Höchstmaß an Liebe und Toleranz, dem anderen dieselben Freiheiten zu gönnen, die man selbst gern genießt.«
» Natürlich hast du Recht. Ich weiß auch, dass ich mit zweierlei Maß messe, denn wenn ich mit jemandem flirte, find ich das nicht schlimm. Ich weiß ja von mir genau, ob und wie sehr mich das gefühlsmäßig berührt. Was Gerald macht, kann ich nicht nachfühlen, ich kann’s ihm nur glauben. Er sagt, er wäre verknallt, aber nicht mehr. Nicht verliebt. Ich würd sagen, er ist scharf auf sie, weil sie ihre Elfenmöse einfach gut verkauft.«
»Haben sie schon ein Date vereinbart?«
»Zum Spielen? Gerald sagt, sie wolle noch warten, erst ganz bei ihm angekommen sein, sich sicher sein, bevor sie sich ihm schenken könne.«
Ute kicherte. »Keine schlechte Taktik, oder? So macht sie es echt spannend. Was sagt ihr Dom dazu?«
»Das werde ich nächsten Mittwoch erfahren. Dann treffen wir Anna und Leo nämlich.«
»Zu viert? Aber du willst nicht mit dem schmierigen Leo ...?«
»Unsinn. Aber mein lieber Mann und das zauberhafte Elfchen haben sich auf dem SMutzig Stammtisch in Köln verabredet, mit Partnern, versteht sich, damit auch niemand eingeschnappt ist. Wahrscheinlich holt Leo sich schon im Vorfeld stündlich einen runter, wenn er sich vorstellt, dass sein Prinzesschen mit der Elfchenmöse eben diese meinem Mann hinhalten wird.«
»Ach komm, Stammtisch ist gar keine schlechte Idee, was soll schon passieren? Da kannst du dich auch mal ein bisschen umsehen und hast Gerald und Anna unter Kontrolle. Kalle und ich wollten auch schon mal zum SMutzig, aber dann hatten wir keine Lust auf die lange Fahrt. Wir stehen um sechs Uhr auf, da gehen solche Ausflüge unter der Woche nicht.«
»Ich hab nicht für fünf Cent Lust. Wenn ich mir vorstelle, dass da ein Haufen Perverser um einen Tisch mit Wimpel in der Mitte sitzt und sich nach Tagesordnungspunkt eins bis zehn über Knotenkunde, Schlagtechniken und Unterwerfungspraktiken unterhält, gehe ich lieber ins Kino.«
[1] Die Webseite, der diese Sätze entnommen sind, existiert. Der Betreiber hat sich damit einverstanden erklärt, hier so zitiert zu werden. Der Nick, dem dieser Auszug zugeordnet wird, ist fiktiv.
6
Während der Fahrt nach Köln schmollte Simone. Sie war eifersüchtig und nervös. Nervös, weil sie nicht wusste, ob sie Anna souverän und unaufgeregt begegnen könnte. Eifersüchtig, weil sie das Gefühl hatte, dass dieser Flirt nicht harmlos war.
Sie hatte sich in Schale geworfen: Das Kleid kaschierte Pölsterchen und betonte ihr Dekolleté, die
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