Im Netz der Meister 2
ganze Reihe Chatter kennen mich auch persönlich, und die werden mich besser beschreiben können, als ich selbst. Es beschreiben mich allerdings auch eine ganze Reihe von Leuten, die mich weder jemals gesehen, noch gelesen haben, aber dafür tun sie das mit Hingabe und voller Inbrunst, denn sie haben ja schließlich schon viel über mich gehört. Und das muss ja alles stimmen, oder? Subsammler, Haremswächter, das sind so die Sprüche, die ich mir anhören muss. Interessanterweise meist von Leuten, die selbst solo sind. Drollig, oder? Da sind zum einen die Neider und Schandmäuler. Neid auf meine Lebensweise ist ja verständlich. Klinge ich ein bisschen verbittert? Vielleicht. Ein Leben wie das meine geht eben nicht völlig spurlos an einem vorbei. Das gilt natürlich auch für meine Subs, die ja letztlich denselben Belastungen ausgesetzt sind, wenn auch vielleicht nicht kumulierend. Ich kriege halt alles multipliziert mit der Zahl der Frauen ab, also bis zu sechsfach. (Nachtrag: sechs ist zu viel. Mach ich inzwischen nicht mehr.) Und, ja, ich bin ein bisschen verbittert. Und misstrauisch. Und emotional distanziert. Warum tu ich mir das an? Ich weiß es nicht. Vielleicht kann ich nicht anders.
Wen will ich? Schlank muss sie sein. Alles oberhalb einer gewissen Grenze hat keinen Sinn. (Bezieht sich auf die Taille, nicht auf die Oberweite) Anfängerinnen sind gerne gesehen, denn ich bilde selbst aus, und dann brauche ich nicht am Pfusch eines Ex-Doms herumzudoktern. Gut ausgebildete Subs sind sehr selten.
Entfernung ist ein Problem. Wenn sie sehr mobil ist, ist das natürlich hilfreich. Ich selbst mache keine Hausbesuche, ich kann mein Spielzimmer ja schlecht mitnehmen. Ordinäres Benehmen schätze ich nicht, einen Hauch Klasse muss sie schon mitbringen. Den Rest bringe ich ihr schon bei. Gedanken über die Liebe:
Du wirst Dich in mich verlieben, das ist immer so. Sei Dir im Klaren darüber, dass ich Deine Liebe nie so erwidern werde, wie Du es Dir wünschst. In dem Moment, in dem ich Dich mehr liebe als Du mich, habe ich nämlich als Dom keine Macht mehr über Dich!
Ich liebe Dich auch, aber mehr wie ein Haustier. [1]
Es reichte Simone. Das war zu viel für heute. Sie loggte sich aus.
Aber sie fühlte sich dennoch durch die Chats des Tages animiert. Sie wollte eine Session.
Sie rief Gerald auf dem Handy an. Es war Samstag, und er hatte gesagt, dass er am Nachmittag in die Stadt wolle.
»Bitte. Heute. Mach mit mir, was du willst, Rule, bitte! Ich brauche es so dringend, ich flehe dich an!«
Das war ihr Code. Am anderen Ende der Leitung war es lange still. »Gerald?«
Seine Stimme klang gelangweilt, aber sehr bestimmt. Seine Befehle waren unmissverständlich.
»Ja, Rule. Das werde ich tun. Genau so, wie du es willst.«
Simone sah auf die Uhr: Viertel vor sieben. Es war kein Kunde da, heute war sowieso nichts los gewesen. Rasch zählte sie die Einnahmen: Außer dem Wechselgeld waren fünfundzwanzig Euro in der Kasse. Hatte sie nur dieses eine Buch verkauft? Das war in dieser Woche schon der zweite Tag ohne Umsatz. Nun, jetzt kam es auch nicht mehr drauf an, heute konnte sie nichts mehr verkaufen. Samstags den ganzen Tag zu öffnen, lohnte sich für ihren kleinen Laden eigentlich nicht. Aber Simone war lieber hier und chattete ein bisschen, als zu Hause blöde Hausarbeit zu machen. Sie steckte das Geld in ihre Handtasche, löschte die Lichter, schloss ihr Geschäft ab und lief zu ihrem Auto.
Um zehn nach sieben war sie zu Hause. Die Kinder waren nicht da. Klar, Samstagabend. Hatten sie gesagt, wohin sie gingen und wann sie nach Hause kommen würden? Simone wusste es nicht mehr.
Sie warf die Handtasche im Flur auf den Stuhl, streichelte dem Hund rasch über den Kopf und ließ ihn in den Garten.
Sie zog sich aus. Sie schminkte sich ab und duschte. Dann rasierte sie sich gründlich. Blitzblank, wie er es verlangt hatte.
Sie föhnte ihre Haare, wickelte sich in den Bademantel und lief runter, um den Hund wieder reinzulassen. Zehn vor acht. Sie würde es schaffen, wunderbar.
Im Schlafzimmer schaltete sie den Fernseher an. Erstes Programm, wie er befohlen hatte. Die Fernbedienung legte sie auf das Gerät. Simone zog die schwarze Kiste unter dem Gitterbett hervor und nahm zwei Paar Handschellen heraus. Öffnete sie. Ging auf den Flur, legte die kleinen Schlüssel auf den Boden. Ging wieder ins Schlafzimmer und schloss die Tür.
Drei vor acht. Sie rannte noch mal ins Bad, nahm einen großen Schluck Meridol und
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