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Im Netz der Meister 2

Im Netz der Meister 2

Titel: Im Netz der Meister 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Berling
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setzte sich schnell wieder auf ihren Platz. Sie musste grinsen, als sie Gerald lesen und dabei Grimassen schneiden sah.
    »Na, was schreibt dein Elfchen denn so?«
    Gerald zog die Brauen hoch und sah ihr in die Augen. Wie vertraut ihr die kleinen Lachfältchen waren. Er sagte: »Tu doch nicht so scheinheilig, du hast es doch gelesen!«
    »Traust du mir so was zu?«
    »Ja!«
    Sie lachten beide, und zum ersten Mal nach langer Zeit klang das Lachen echt und ein wenig befreiend.
    Anna erwies sich als sehr anstrengend. Gerald konnte ihre langen Mails kaum ausführlich beantworten. »Sie scheint den ganzen Tag Mails oder Geschichtchen zu schreiben. Sie kennt sich im Netz so gut aus, dass ich das Gefühl habe, sie macht nie was anderes, als vor dem Rechner zu sitzen. Sprich ein Thema an, egal welches, Musik, Bücher, Filme, sie antwortet sofort mit einem Link oder mit einer Geschichte, die sie mal dazu geschrieben hat.«
    Simone antwortete auf Geralds Erklärung nicht, denn sie war selbst den ganzen Tag online, tagsüber in der Buchhandlung und am Abend sowieso.

    Wochenlang lang passierte nichts Besonderes. Simone fand niemandem, mit dem sie sich einlassen wollte. Sie suchte vielleicht auch nur halbherzig, oder suchte sie, weil sie daran gewöhnt war, jemanden zu suchen? Sie telefonierte oft mit Ute, chattete mit Kalle, beobachtete Leviathan Herbstblatt und Putzlitzer, indem sie mit Vergnügen deren Diskussionsbeiträge las. Seit sie Putzlitzer geschrieben hatte, wie vermessen sie es fand, dass er sich »Schriftsteller« nannte, ohne je in einem ordentlichen Verlag veröffentlicht zu haben, war der Kontakt beendet. Er hatte ihr nicht verziehen, dass sie der Meinung war, er sei kein Schreiber, sondern er würde »bloß tippen«.
    Simone korrespondierte mit Leuten, die sie wieder vergaß, wenn sie drei Tage nicht online waren, sie verfolgte Forenbeiträge und beteiligte sich an Diskussionen, sie kommentierte Fotos in den öffentlichen Galerien und studierte die Veranstaltungsberichte von Partys und Stammtischen. Sie lebte im »Harte-Liebe-Forum” fast so, wie sie früher bei Love.Letters gelebt hatte.
    Aber: Heute war das anders. Simone hatte erkannt, ja, sie war überzeugt davon, dass das Internet die neue Realität war, dass sich kaum jemand dem Reiz der Einfachheit entziehen konnte, die dieses Medium so faszinierend sein ließ. Statt sich mit Leuten in Kneipen oder Cafés zu verabreden, daheim Freunde einzuladen oder mit ihnen etwas zu unternehmen, verbrachte man seine Zeit im Internet. Auch Simone. Sie tat das heute gern. Sie hatte nicht mehr das Gefühl, süchtig zu sein, gefangen zu sein im Netz, nein, die Welt hatte sich weitergedreht und Kommunikation und Miteinander hatten heute eben eine ganz andere Gestalt.
    Das »Harte-Liebe-Forum” deckte etliche Interessen ab: den Voyeurismus zum Beispiel, wenn man sich intime Fotos ansah. Simone war zwar keine Voyeurin, natürlich nicht, dennoch schaute sie immer wieder nach Lulus langen Schamlippen oder der Blume vor Annas rasiertem Venushügel.
    Simone las öffentliche Tagebücher und virtuelle Gästebücher, studierte Freundeslisten und Verlinkungen zu Profilbürgen, Spielpartnern, Subs, Tops und Ehepartnern, sie las, wer wann mit wem wie lange auf welcher Party gewesen war und wer dort wie heftig mit wem gespielt oder gevögelt hatte. Sie schüttelte sich oft beim Anblick klaffender Mösen und baumelnder Hoden und klickte genervt weiter, wenn das tausendste Foto eines verstriemten Hinterns mit dem Untertitel »... trage stolz seine Spuren ...« erschien. Sie bookmarkte sich interessante Profile und las darin nach, mit wem die Inhaber Sex hatten, ob sie glücklich oder traurig waren. Sie erfuhr, wer arbeitslos war, Geldsorgen hatte, das Rauchen aufgab oder befürchtete, vom Analverkehr Hämorrhoiden bekommen zu haben, wer verlassen worden war und wer sich verliebt hatte. Sie wunderte sich kaum noch über die unbekümmerte Offenheit, mit der Menschen sehr Privates erzählten, ohne zu wissen, wer das las.
    Simone stöberte in den Foren über allgemeine Fragen zu BDSM und Fragen von Einsteigern, informierte sich über Körperschmuck und Kennzeichnungen, über Bondage und andere Techniken, über SM im Alltag und 24/7. Es gab eine Rubrik für Gedichte und Geschichten, eine für Alltagsthemen und eine zum Unsinn reden und herumalbern. Fast jeder Geschmack, jedes Interesse und jede Neigung wurde virtuell bedient. Wer brauchte schon die Welt da draußen?
    Anna.
    Sie brauchte die

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