Im Netz der Meister 2
Welt da draußen. Sie hatte an Gerald geschrieben, dass sie sich eine weitere Chance wünsche: »... eine Chance, Ihr Lächeln wieder vis-à-vis zu sehen. Ich bitte sie um eine Chance, Sie allein zu erleben. Weil, mein geliebter Zaubertastenprinz, Sie ein Mann sind, dessen Lippen ich sehen möchte, wenn sie sich dicht vor meinen Augen bewegen, und weil ich Sie riechenschmeckenfühlen möchte und mir so sehr wünsche, mich in Ihre Arme verkriechen zu dürfen. In diese Arme, die ich zu kennen glaube, nein, längst kenne, mit ihrem Duft, der sich einbrannte in mein Gehirn mein Herz meinen Bauch, seit wir uns zum ersten Mal sahen. So lange schon, so viele Wochen nun, gehören Sie zu meinem Leben, ich kann Sie nicht mehr missen und bitte Sie um eine Begegnung. «
Gerald hatte Simone diese Mail gezeigt. Sie hatte geschluckt und mit dünner Stimme gefragt, ob er es tun wolle. Er hatte wortlos genickt und sie in den Arm genommen, als sie zu weinen begann.
In einer Woche wollte Gerald Anna in Köln treffen. Sie hatte ihn gebeten, zwei Zimmer im Savoy Hotel zu buchen. Simone flippte aus, als sie sich im Internet die Homepage des Hotels ansah.
»Fünfhundert Euro für eine Nacht? Bist du verrückt geworden? Du willst fünfhundert Euro bezahlen, um die Elfenmöse zu vögeln? Gerald, du bist wirklich zu blöd. Solche Weiber gibt’s im Puff viel billiger!«
»Ach ja?« Geralds Gesicht hatte einen Ausdruck, den Simone nicht kannte. »Und wie war das, als du in Hamburg mit dem dicken alten Arno abgestiegen bist? Oder mit dem Holländer? Haben diese Typen für dich nicht auch Suiten in Luxushotels gebucht und dich ausgeführt, bevor sie dich flachgelegt haben? Hätte es eine wie dich auch im Puff billiger gegeben?«
Simone schnappte nach Luft. »Das ist was ganz anderes! Das kannst du nicht miteinander vergleichen!«
»Nicht?« Der Spott in seiner Stimme verstörte Simone.
»Nein! Weil Arno und Karel die Hotels freiwillig ausgesucht haben. Anna bestellt es bei dir! Arbeitslose Friseuse und Speditions-Disponent steigen im Luxushotel ab, ich fasse es nicht! Gerald, bleib auf‘m Teppich! Wir haben eine gemeinsame Haushaltskasse. Ich bezahle nicht für diese Schlampe das Hotelzimmer von meinem Haushaltsgeld, damit mein Mann ihre Feenfut beglücken kann.«
»Kreisch nicht so hysterisch und komm mal wieder runter!« Gerald wurde laut. »Hab ich dir Vorwürfe gemacht wegen deiner Geschichten? Hab ich je einen deiner Typen beschimpft? Bin ich je so ausfallend geworden wie du jetzt? Simone, dein zweierlei Maß funktioniert nicht. Ich werde mich mit Anna dort treffen. Wovon ich das bezahle, ist meine Sache. Von unserer Haushaltskasse, in die seit Monaten von dir nichts eingeflossen ist, weil du im Buchladen mehr chattest als arbeitest, werde ich das Geld nicht nehmen.«
»Du bist ein unfaires Schwein!« Ihre Stimme überschlug sich. Er knallte die Tür hinter sich zu. Wenig später hörte Simone das Auto wegfahren. Heulend rannte sie zur Haustür, riss sie auf und schrie den Rücklichtern des Wagens zu: »Komm zurück! Gerald! Wenn du nicht zurückkommst, dann ...«
Im Nachbarhaus ging das Licht über dem Eingang an. Simone lief rasch wieder hinein und schloss die Tür. Das fehlte noch, dass sie sich jetzt mit Frau Brüggemann unterhalten musste. Sie ließ sich langsam an der Wand in der Diele hinunterrutschen und setzte sich auf den Boden. Sie heulte. Carlos kam schwanzwedelnd aus dem Wohnzimmer und stupste seine Schnauze unter ihre Hände. Simone schluchzte laut.
Nein, nein, nein. Das kann nicht wahr sein. Er kann nicht einfach wegfahren. Er kann nicht unsere Ehe aufs Spiel setzen, nicht nach allem, was wir erlebt haben, nicht mit so einer. Nicht mit Anna. Und nicht für fünfhundert Euro die Nacht. Savoy in Köln. Der spinnt doch. Da schlafen die Promis. Gottschalk und Konsorten. Wie kommt diese Schlampe auf die Idee, sich dort einzumieten? Bezahlt Leo solche Hotels? Steht der womöglich hinterm Vorhang, wenn Gerald und Anna es treiben? Und wieso zwei Zimmer?
Sie schniefte und wischte die Tränen mit dem Handrücken ab. Carlos schmiegte sich tröstend an sie. Er sprang zur Seite, als Simone plötzlich aufstand und ins Computerzimmer lief. Ja, Geralds Rechner war noch an. Ihre wütenden Tränen tropften auf die Tastatur, als sie die Mail von Anna las.
»... Liebster, bitte buchen Sie für uns im Savoy. Es ist dies mein allerliebstes Lieblingshotel. Bitte nehmen Sie zwei Zimmer. Ich kann nicht mit Ihnen einschlafen, wissen
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