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Im Netz der Meister 2

Im Netz der Meister 2

Titel: Im Netz der Meister 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Berling
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zu Ende denken, sonst würde sie verrückt. Sie musste diese Nacht rumkriegen, es irgendwie schaffen, sie zu überstehen. Morgen Abend war Gerald wieder da. Wenn sie seine Augen sah, würde sie wissen, ob er sie noch liebte. Sie würde es ihm ansehen, ganz bestimmt. Und dann würden sie reden müssen.
    Sie ging ins Computerzimmer und loggte sich ein. Fast bis zum Morgengrauen blieb sie vor dem Bildschirm, chattete, flirtete, las, schrieb. Simone hatte das Gefühl, neben sich zu sitzen und sich selbst dabei zu beobachten, wie sie trank, rauchte, schrieb, als ginge es um ihr Leben. Nichts von dem, was sie in dieser Nacht tat, blieb ihr, sie nahm kaum etwas wahr und konnte sich später an keinen Satz, keinen Chatpartner, keine Minute erinnern.
    Die Flasche Wein war leer, der Aschenbecher quoll über und ihre Gelenke waren steif, als sie sich endlich ins Schlafzimmer schleppte und aufs Bett fallen ließ. Sie schlief weinend ein, mit einem Bild vor Augen von Gerald und Anna, die glückselig schlummernd Arm in Arm in Kölner Savoy-Hotel lagen.

    Es war alles umsonst gewesen. Sie hatte sich verrückt gemacht, geweint und gezweifelt. Es wäre nicht nötig gewesen.
    Als Gerald Sonntagabend ankam, sah Simone ihm vom Küchenfenster aus zu, als er viel zu schnell in die Einfahrt fuhr, den Wagen fast abwürgte, den Koffer vom Beifahrersitz nahm, die Autotür zuknallte und aufs Haus zuging. Er schloss auf, bevor sie ihm öffnen konnte, warf den Schlüssel auf die Kommode und ließ den Koffer zu Boden fallen. Er stand in der Küchentür. Wortlos sah er Simone an. Sie forschte in seinem Gesicht, suchte nach einem Zeichen von irgendwas. Sie konnte nichts in seinen Augen lesen, seine Mimik gab nichts preis. Ihr war schlecht vor Angst. Was würde er jetzt sagen?
    »Ist noch Kaffee in der Kanne?«, fragte er.
    Simone nickte und nahm mechanisch eine Tasse aus dem Schrank, gab Zucker hinein, goss Kaffee dazu, rührte um, reichte ihm die Tasse. Sie musste sich setzen, ihre Knie zitterten. Sie suchte seinen Blick. Er wich nicht aus. Er grinste? Er grinste!
    »Was ist passiert?«
    »Das glaubst du nicht, das glaubt mir kein Mensch!«
    Simone war auf alles Mögliche gefasst. Nicht jedoch darauf, dass Gerald sagte: »Außer Spesen nichts gewesen.«
    »Wie meinst du das? Ist Anna nicht gekommen?« Erleichterung färbte ihre Stimme dunkel. Er lachte und schlug mit der Hand auf den Tisch. Die Kaffeetasse hüpfte.
    »Nein. Gekommen ist sie nicht. Obwohl sie da war, wenn du das meinst. Diese Frau ist gestört! Da ging nichts. Nur reden, kuscheln und schwülstiges Gesäusel.«
    Simone verstand nicht.
    Gerald begann zu erzählen. Zuerst sei es nett gewesen, schon, weil das Hotel ein Erlebnis sei. Ungewöhnliche Zimmer, alle thematisch eingerichtet, toller Service, wie im Film. »Wir waren in der Hotelbar und tranken Cocktails. Da ging’s schon los. Sie begann, mich vorzubereiten. Ich müsse zum Beispiel wissen, dass ich ihr nicht die Augen verbinden dürfte, das sei ein Tabu.« Gerald äffte Anna mit verstellter Stimme nach: »Dann verliere ich mich rasch, ganz rasch, und Sie verlieren mich auch, an die Dunkelheit, an ein diffuses Entsetzen, an die Schwärze, aus der es dann kein Entrinnen gibt ...«
    »Halleluja. Hat sie dich wirklich gesiezt?«
    »Die ganze Zeit, ja. Bitte lassen Sie mir Zeit, um anzukommen, um Sie nah an mich heran zu lassen, zu sehenriechenhörenspüren...« Simone bekam einen Lachanfall und Gerald stimmte ein.
    Es ist nichts passiert? Er hat nicht mit Anna gevögelt, keine Session gehabt? Konnte er nicht? Hat er dabei an mich gedacht? Ging es meinetwegen nicht? Liebt er mich noch?
    Er erzählte weiter: »Keine Augenbinde also, wegen Panik. Keinen Knebel, wegen ihrer chronischen Bronchitis. Keine starken Schläge, mit Stock oder Gerte sowieso nicht. Wenn, dann nur leicht mit der Peitsche. Keine Plugs, keine Dildos, nichts, was man in sie hineinstecken darf.«
    »Wie meinst du das, nichts reinstecken? Gar nix? Auch keinen Pimmel? Hast du sie nicht gevögelt?«
    Gerald schüttelte den Kopf. »Nein, hab ich nicht. Ich erklär es dir gleich. Anna ist wirklich komisch. Wollte die ganze Zeit nur in meinem Arm liegen, Gummibärchen lutschen und reden. Hat mir ihr ganzes Leben erzählt, vom Kindergarten bis heute. Sogar Fotos von ihren beiden Kindern hat sie mitgebracht und mir gezeigt. Sie hat ihre Tabus aufgezählt und jedes einzelne erklärt, und zwar sehr ausführlich. Keine Masken, weil dann die Haare nicht mehr liegen würden.

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