Im Netz der Meister (German Edition)
bekommen. Lesungen, Autorengespräche und literaturwissenschaftliche Vorträge standen auf dem Programm. Nachdem sie Karel den Termin vorgeschlagen hatte und der einverstanden war, hatte Simone die Einladung angenommen. Gerald zeigte Verständnis für die dreitägige Reise. Fortbildung und Information gehöre zum Geschäft, meinte er. Simone würde sich kurz bei einem Event des Festivals blicken lassen, mit so vielen Leuten wie möglich plaudern und ihre Visitenkarten großzügig verteilen.
Später am Abend wollte Karel sie im Hotel Frankfurter Hof treffen, er hatte dort zwei Zimmer reserviert. Karel bereitete Simone gründlich auf das Treffen vor. Er schrieb ihr jeden Tag eine Mail, die mit den Worten begann: »In wenigen Tagen gehörst du mir.«
Simone las diese Zeile mit wohligem Gefühl und neugieriger Vorfreude. Täglich folgte eine genaue Anweisung, die sie zu erfüllen hatte: Sie sollte sich zum Beispiel auf eine vorgeschriebene Art befriedigen und Karel bis zu einer bestimmten Uhrzeit Bericht erstatten, oder er verlangte eine genaue Beschreibung ihrer erotischen Erfahrungen: »Welcher Mann hat es wie mit dir getrieben?«
Simone berichtete detailliert. Es machte ihr Freude, so sehr über sich nachdenken zu müssen und Karels Interesse schmeichelte ihr sehr. Er hatte sogar eine Liste mit ihren exakten Körpermaßen angefordert: Vom Hals bis zu den Füßen vermaß Simone brav Hals, Brustumfang, Beinlänge, Fußlänge und Hüftweite und fragte sich, was Karel mit diesen Maßen anfangen wollte.
Karel schickte ihr einen Fragebogen, in dem sie von ihrem Lieblingsessen bis hin zu ihren Lieblingssängern, -blumen, -filmen, -farben nennen musste, was ihr gefiel. Er forderte sie auf, eine Liste mit Sexualpraktiken und Begriffen ehrlich zu kommentieren: Hinter jeder Frage gab es Kästchen, in denen sie ankreuzen sollte, ob sie diese Praktik kannte, mochte, nicht mochte oder nicht kannte.
Simone las mit feuchten Händen und fliegenden Gedanken von Natursektspielen, Anal- und Vaginalfisting, Zofendiensten und Sex mit einem, zwei, drei und mehr Männern gleichzeitig und kreuzte überall »nein« an. Auch hinter den Worten Gerte, Peitsche, Paddel, Wachs, Klammern, Masken, Folien, Clubbesuche, Parkplatzsex und Spielen mit Frauen kreuzte sie energisch »Nein« an. Sie ekelte sich bei dem Gedanken, eine Frau anzufassen – mehr erschien ihr sowieso völlig absurd.
Ihr gefiel es, dass Karel sich offenbar sehr genau auf ihr Treffen vorbereitete. Sie versuchte sich vorzustellen, wie ihre zweite Session ablaufen würde. Ob er es ähnlich wie Boris aufziehen würde? War jeder Dom anders? Oder hatte jede Session einen bestimmten Ablauf? Würde sie mehr genießen können, bewusster erleben als mit Boris?
Angst, Aufregung und Vorfreude mischten sich zu einem Gefühlschaos, das Simone im Alltag kaum überspielen konnte. Sie passte auf, sich bei Karin nicht zu verraten, sie sollte nichts von diesem Date wissen.
Aber der agilen Blondine blieb nichts verborgen. »Literaturfestival, ma chérie, soso. Wirst du in Frankfurt auch den Dom besichtigen?«
Karins Lächeln ärgerte Simone zwar, aber der Scherz brachte sie zum Lachen. »Ein Dom in Frankfurt? Ich dachte, die haben dort nur Wolkenkratzer?«
»Vielleicht gibt es Doms, die an den Wolken kratzen?«, grinste Karin.
Simone ging nicht weiter auf das Thema ein und vertiefte sich in ihre Buchhaltung.
Gerald arbeitete zurzeit sehr viel, in der Spedition gab es fast täglich Überstunden, und am Abend schlief er vor dem Fernseher ein. Simone war ihm nicht böse, im Gegenteil, sie war froh, nicht mit ihm schlafen zu müssen, denn ihre Gedanken kreisten nur noch um das Treffen mit Karel. Übermorgen würde sie fahren.
Bis jetzt hatte sie noch kein Foto von Karel gesehen. Sie hatte keine Ahnung, wie der Mann aussah, dem sie für zwei Nächte gehören wollte. Täglich hatte sie um ein Foto gebettelt, aber Karel hatte geschrieben: »Nein. Du wirst eine Aufgabe bekommen und sie, bevor du nach Frankfurt fährst, erfüllen. Wenn du das getan hast, gibt es ein Foto.«
Wenn Karel hässlich war, würde sie absagen, klarer Fall. Sie konnte schließlich Schönlinge wie Boris haben – mit einem Hässlichen brauchte sie sich nicht abzugeben.
Karel konnte gar nicht hässlich sein. Ein Mann, der sich so charmant und souverän um sie bemühte, musste etwas Besonderes sein.
Am Abend erhielt sie eine Mail: »Du wirst dich morgen zwischen den Beinen rasieren. Ich will dich glatt und sauber und
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