Im Netz der Meister (German Edition)
Flach und leise sog sie die Luft durch die Nase ein, ihre Augen suchten verzweifelt in seinen nach einem Signal, einer Regung.
Er stellte sich hinter sie. Sie wusste genau, was jetzt kam, instinktiv.
Simone straffte ihre Haltung, atmete tief ein, wusste, dass sie sich entspannen musste, um den Schmerz, der kommen würde, zulassen zu können, wusste, dass sie eins mit ihm werden musste, sonst würde sie ihn nicht ertragen können.
Rule hielt ihr von hinten den Mund zu und einen Moment war sie in Versuchung, ihn in die Hand zu beißen.
Es war seine Linke, die sich fest auf ihre Lippen presste, seine Rechte ließ den Rohrstock auf ihrem Hintern tanzen. Kurze, harte, schnell aufeinander folgende Schläge, ein Stakkato heftiger Hiebe, auf die Backen, die Schenkel, die Kniekehlen. Und wieder hinauf und wieder von vorn und wieder und wieder.
Simone keuchte, heulte, trampelte mit den Füßen, soweit die Spreizstange und die Fußfesseln das zuließen, sie atmete zu schnell, zu hektisch, konnte nicht schreien, den Kopf nicht bewegen, weil er sie mit eisenhartem Griff hielt und schlug und schlug.
Sie wünschte sich, ohnmächtig zu werden, als er das Instrument wechselte, als sie die Riemen der Peitsche auf ihren wunden Striemen spürte und die Spitzen der Lederschnüre gnadenlos um ihre Hüften strudelten und hart, wie spitze Steine, auf ihre Beckenknochen prasselten.
Nichts, nichts konnte sie tun, außer aushalten, durchhalten, es schaffen, ihn müder werden lassen vom Schlagen, warten, ob es eine Gelegenheit geben würde, die sie wieder denken ließ, um einen Weg, einen Ausweg zu finden aus dieser Hölle.
Sack oder Asche
Simone wusste später nicht mehr, wie sie die Wochen nach der Begegnung mit Mark überstanden hatte. Sie verachtete sich für ihr unterwürfiges Verhalten – und suchte gleichzeitig den Kontakt zu ihm.
Er meldete sich nicht. Obwohl sie sah, dass er bei Love.Letters online war, schrieb er ihr nicht. Sie schickte ihm höfliche, schmeichelnde und traurige Mails, und sie bekam keine Antwort.
Sie wagte es nicht, ihm eine SMS zu schreiben – obwohl diese letzte Zurückhaltung ihr sehr schwer fiel.
Ich muss meinen Stolz behalten, ich darf mich nicht gehen lassen , dachte sie. Mark will die totale Demut, die absolute Hingabe, er hat es gesagt. Gehört dazu, dass ich warte, bis er sich meldet? Soll ich mein ganzes Wesen verraten, um ihm zu gefallen? Ist das eine stolze Sub – eine, die geduldig ausharrt, bis der Herr sich meldet?
Den Begriff »Stolz« las sie oft in den BDSM-Foren im Internet, er wurde von einer Sub, einer submissiven Frau, einer Sklavin erwartet. In diesem Zusammenhang hatte Simone Schwierigkeiten mit dem Begriff. Stolz? Auf was? Darauf, dass sich ihr Wesen veränderte? Darauf, dass sie sich hatte erniedrigen und besudeln lassen und ihre Selbstachtung irgendwo, irgendwann verloren hatte? Konnte man stolz darauf sein, wenn man so pervers war wie sie?
Sie konnte ihre Fragen nicht ordnen, bekam keine klare Linie hinein. Warum wartete sie überhaupt auf ein Lebenszeichen von Mark, nachdem er sie so schäbig behandelt hatte?
Ihr Familienleben und der Alltag zogen wie ein Film an ihr vorbei, in dem sie eine Statistenrolle spielte.
Simone ging zur Arbeit, sprach mit den Mädchen und hörte ihnen kaum zu, sie kochte, ging mit dem Hund spazieren, erledigte ihre Aufgaben und war im Kopf weit weg, in einer ganz anderen Welt.
Sie schlief mit Gerald und dachte dabei, dass er ebenso gut eine Gummipuppe vögeln könnte, die würde genauso duldsam und reglos daliegen wie sie. Geralds besorgte Frage: »Liebes, was ist nur mit dir los?«, beantwortete sie mit einem aggressiven: »Nichts!« und drehte sich zur Seite, damit er ihre Tränen nicht sah.
Sie war gefangen in ihren Zweifeln, Selbstzweifeln, in Vorwürfen an sich selbst, in Rätseln ohne Lösungen und in schmerzhafter Sehnsucht.
Sie knüpfte neue Kontakte bei Love.Letters und korrespondierte mit einigen Frauen, die sie inzwischen kennen gelernt hatte und die sie als ihre Freundinnen ansah.
Britta aus Berlin hatte ein paar Mal angerufen und wissen wollen, wie es ihr ging, aber Simone hatte immer viel Arbeit und keine Zeit vorgeschoben und das Gespräch schnell beendet. Was wusste Britta schon. Sie konnte nur mit eingeweihten Frauen aus der Szene über ihren Seelenzustand sprechen.
Annika war so eine Eingeweihte. Sie beschrieb sich als tief submissive Frau, die sich nach totaler Hingabe sehnte. Simone war in der Foren-Gesprächsgruppe
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