Im Netz der Meister (German Edition)
»Lustfesseln« auf einen Beitrag aufmerksam geworden, in dem Annika von einer schlimmen Enttäuschung mit einem brutalen Dom erzählte. Die anderen weiblichen Forumsteilnehmer überschütteten sie mit Trost- und Aufmunterungsbeiträgen.
Simone begann einen Mailwechsel mit Annika und erschrak schon beim ersten Schreiben: Sie habe darauf gewartet, dass Simone sich bei ihr melden würde, schrieb Annika.
»Wie bitte? Wir kennen uns doch gar nicht!«
»Du hast Kontakt zu Your Top, zu Mark Schneider, nicht wahr?«, fragte Annika. Simone erschrak, weil diese Frau seinen realen Namen aussprach. Das war eine ungeheure Indiskretion. Sie musste trotz ihres Erschreckens schmunzeln. Love.Letters war schon eine besondere Gemeinde. Jeder, der länger dabei war, wusste über die anderen Chatter Bescheid. Freimütig erzählte Annika, sie habe ein kurzes, brutales Verhältnis mit Mark gehabt. Eine unerträgliche Erfahrung sei das gewesen und sie habe danach eine Psychotherapie machen müssen. Jetzt gehe es ihr langsam besser, schrieb Annika, und es sei nun irgendwie ihre Aufgabe, andere Frauen vor einem solchen Monster wie Mark zu warnen.
Simone glaubte Annika jedes Wort, nahm die Warnung ernst und ignorierte sie. Annika war ein junges Ding von Anfang zwanzig, was wusste die schon? Einen Mann wie Mark musste man zu nehmen wissen, und sie, Simone, würde es eben lernen.
Nach endlosen Tagen schrieb er ihr. Er ging auf ihre letzten Mails ein, in denen sie sich anklagend über sein Schweigen beschwert hatte – wohl wissend, dass ihm dieser Ton nicht gefallen würde. Als er antwortete, rauchte sie vor Aufregung zwei Zigaretten nacheinander, bevor sie las.
»Du hattest schlaflose Nächte, Simone? Warum nur? Man könnte fast meinen, du bist mir nicht mehr wohlgesonnen ... Und das nach diesem Ereignis ... Hast du es denn doch nicht genossen? Ich habe mich nicht verabschiedet, nicht von dir und hatte es auch nicht vor ... Es gefällt mir nicht, wie du hier mit mir sprichst ... ja, das ist so ...Demut...ja, das wäre eine andere Ebene ... aber diese Wut, du kennst das Gefühl am besten, das ich meine, und du kennst es sehr gut ... Simone, du versuchst zu erklären, was du dir nicht erklären kannst ... Nimm es einfach hin ... War es nicht ein ganz außergewöhnliches Erlebnis? Der ganze Abend von seinem Ablauf her? Kann er nicht sein, wie er war ... und seinen Stellenwert behalten? Ohne nachträgliche lästige Erklärungen ... usw.? Und ohne diesen Ton, angemessen in der Haltung, ohne Druck ... Anklage ... ohne den Versuch, zu erklären ... könnte es ein weiteres Ereignis geben ... voller Hingabe ... bedingungslos lernend ... jedoch nur dann ... Wenn du nun weißt ... was ich erwarte ... nun ...
Und du hast erhebliches Potenzial ... es war ... nun, sagen wir ... wahnsinnig geil ... auch für mich ... ich habe es sehr genossen ... genau so, wie es war! Und zwar so sehr, dass ich es, unter Beachtung des oben Geschriebenen natürlich wiederholen würde ... that´s another story ... it’s up to you now...
So, nun kennst du in etwa meine Denklinie ... die, du hast mich ja nun erlebt, noch wesentlich differenzierter ist - und eines mach dir klar: Ich bin nicht ausrechenbar ... Ich wünsche dir nun in der Rückerinnerung geile Gedanken ... lächel ... Mark«
Simone war hin- und hergerissen. Einerseits fand sie seine Wortwahl anmaßend, arrogant und eingebildet, andererseits brachte die Botschaft, dass er sie wiedersehen wollte, sie völlig aus dem Häuschen.
Sie wollte ihn auch. Immer noch und trotz allem. Er hatte einen weichen Kern hinter der brutalen Fassade, dessen war sie sich sicher. Und sie wollte die Frau sein, die seine Fassade zum Einstürzen brachte.
Sie telefonierte mit Britta in Berlin und bat um ein Alibi.
»Ach, wenn du ein Alibi willst, hast du Zeit für mich? Hast du schon wieder ein Date für perverse Spielchen?«, fragte Britta trocken.
»Diesmal ist es anders, Britta. Er ist ein sehr besonderer Mann, einer für den sich das Kämpfen lohnt.«
»Aha. Und was ist mit deinem sehr besonderen Ehemann? Gibt’s da auch Kämpfe? Wirst du dich von Gerald trennen?«
Simone war entsetzt und wagte gar nicht, an diese Möglichkeit zu denken.
»Nein! Das eine hat mit dem anderen doch nichts zu tun, so komisch das jetzt für dich klingt. Ich liebe Gerald und die Kinder, ich könnte sie nie, niemals verlassen. Aber mit Mark – das ist etwas, das ich einfach tun muss. Bitte frag nicht, Britta, bitte gib mir das Alibi, es ist
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