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Im Netz der Meister (German Edition)

Im Netz der Meister (German Edition)

Titel: Im Netz der Meister (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Berling
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gehen.
    Ich hätte auf Annika hören sollen. Sie hat mich gewarnt, so eindringlich. »Ich hasse dieses Monster«, hat sie gesagt. »Er ist so kalt, dass du frierst, wenn du an ihn denkst«, hat sie gesagt. »Er spielt mit allem, mit deinem Körper, mit deinen Emotionen und mit deiner Seele«, hat sie gesagt.
    Warum habe ich nicht darauf gehört? Warum hatte ich das Gefühl, bei mir, bei uns, sei es anders? Warum hat meine Intuition mich so getrogen? Warum habe ich mir einbilden können, dass ich dich ebenso fasziniere wie du mich? Warum berührst du meine Seele? Warum verletzt du sie?
    Warum, warum.
    Noch immer hänge ich in den Seilen. Der Rohrstock peitscht meine Schenkel. Rechts links. Noch einmal. Wieder.
    »Ich liebe den Rohrstock«, hast du gesagt.
    Ja, das merke ich. Immer und immer wieder. Mein Kopf ist gesenkt, mein Körper wund und abgestumpft.
    Geilheit? Verlangen? Nein. Nicht mehr. Du nimmst mir die Augenbinde ab. Ich muss blinzeln, weil das Licht jetzt blendet, obwohl es nicht hell ist.
    Du gehst in die Küche und kommst mit einem Messer wieder. Es ist ein scharfes, blankes Messer mit langer, glatter Klinge.
    Ich schreie vor Schreck. Nein, das geht zu weit, das nicht, bitte, das nicht. »NEIN!«
    Du schlägst mir ins Gesicht.
    »Wenn du ganz stillhältst, passiert gar nichts.«
    Ich zittere, kann das Zittern nicht abstellen, kann nicht aufhören, will schreien, aber ich wage es nicht. Mir ist schlecht. Ich glaube, ich muss kotzen.
    Du führst die Klinge über meine Haut, einen Millimeter über der Oberfläche. Wenn ich nicht aufhöre zu zittern, wirst du mich verletzten. Mit weit aufgerissenen Augen verfolge ich den Weg des Messers, nur eine Haaresbreite über meinen Brustwarzen, an meinem Hals entlang, an den Armen, zwischen den Beinen. Ich schließe die Augen und versuche, mich zu entspannen. Du wirst es nicht tun, du wirst mich nicht verletzten, nicht so, bitte nicht. Du lachst. Es klingt höhnisch.
    Ich öffne die Augen, du liegst auf dem Bett und rauchst. Ich will hier raus. Ich will das nicht. Ich kann das nicht. Du bist krank und ich werde dich nicht heilen können. Herrje, war ich blind und blöd. Lieber Gott, lass mich hier heil rauskommen.
    Deine Hand. Tief. Eng. Tiefer. Zu eng. Du willst deine Hand reinschieben. Das habe ich mir gewünscht, du weißt das. Die Dankbarkeit ist wieder da. Ein wenig.
    Nein, so geht es nicht, bitte nicht, nein, das halte ich nicht aus. Ich bin viel zu verkrampft, du musst es langsam tun, bitte, bitte nicht so! Ich kann nicht mehr atmen, ich schreie, keuche, winde mich, nein! Es zerreißt mich, ich kann es nicht ertragen, es ist wie eine Geburt, Déjà-vu, nein, nein, nein. Bitte, bitte nicht so, nicht so, nein, das ist zu schnell, zu brutal, bitte! Nein.
    ROT!!!!
    Ich habe das Codewort benutzt. Laut geschrien habe ich es.
    Es ist vorbei. Du bindest mich los. Führst mich zum Bett. Nimmst mir die Hand- und Fußfesseln ab. Ich zittere, drehe mich auf die Seite, liege wie ein Embryo. Ich kann nicht mehr denken. Ich kann nicht mehr. Nimm mich doch in den Arm. Bitte. Warum tust du es nicht?
    Wir reden, rauchen, ich weiß nicht worüber.
    Irgendwann in der Nacht wache ich auf.
    Warum? Warum bin ich hier? Was ist in meinem Kopf los, was ist mit meinem Verstand? Immer wieder: warum?
    Am Morgen trinken wir Kaffee im Bett. Ich versuche, mich normal zu benehmen. Nichts ist normal.
    Wir gehen frühstücken, du hast einen Tisch bestellt. Ich bin müde, und essen kann ich auch nichts. Meine Knie schmerzen vom Kriechen und Knien in der Nacht. Mein Hintern ist übersät mit schmerzenden blutigen Striemen und blauen Flecken von deinen Hieben. Ich kann kaum sitzen, jede Bewegung tut weh.
    Was bist du für ein Mensch? Was hast du gesucht, und was habe ich dir nicht geben können? Oder habe ich dir gegeben, was du gesucht hast? Wolltest du nur diese Macht? Die hattest du. Und was noch?
    Hatte Annika Recht? Bist du ein Aufreißer? Ein Spieler, ein gnadenloser Spieler? Ich weiß es nicht. Ich bin froh, dass du mich am Bahnhof vor der Tür aus dem Auto steigen lässt und mich nicht zum Gleis begleitest. Ich will alleine sein. Nachdenken.
    Im Zug habe ich Zeit.
    »Hast du es genossen?«, hast du irgendwann gefragt. Ich habe spontan »Ja« gesagt. Und ich habe gelogen.
    Oder nicht?
    Das ist das Schlimmste, das verwirrt mich. Ich habe genossen, trotz Rot. Irgendetwas hat mich trotz allem fasziniert. Ich hasse mich dafür. Ich kann es nicht erklären. Nicht während der Heimfahrt und nicht

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