Im Netz der Meister (German Edition)
können, in die Wohnung eines Fremden zu fahren?
Verdammt, sie musste mit jemandem sprechen! Sie konnte sich nicht überwinden, Britta anzurufen, verschob das Gespräch mit fadenscheinigen Ausreden vor sich selbst immer und immer wieder. Simone setzte sich an ihren Computer und schrieb die ganze Geschichte mit Mark auf. Sie ließ nichts aus: das zweite Love.Letters-Profil, um ihn zu ködern, ihre Gefühle bei der ersten Begegnung, ihre Zweifel vor dem zweiten Treffen und ihren seelischen Horrortrip während und nach der Session. Ohne den Text noch einmal zu überarbeiten, schickte sie ihn per Mail an Mark. Er sollte wenigstens wissen, was er ihr angetan hatte.
Sie bekam nie Antwort auf diese Mail. Aber das hatte sie auch nicht erwartet.
»Simone, du hast dich ewig nicht gemeldet!« Es klang vorwurfsvoll.
»Ach Britta. Ich konnte irgendwie nicht, tut mir Leid.«
»Schon gut. Erzähl, wie war dein Date? Ich bin dein Alibi, also spann mich nicht auf die Folter. Hast du wieder Schauergeschichten mit prügelnden Ledermackern erlebt?«
Simone musste lachen. »Kann mal wohl sagen, diesmal war es wirklich gruselig. Aber er trug einen Anzug und kein Leder.«
Und dann erzählte sie Britta die ganze Geschichte der letzten Monate. Sie ließ nichts aus, als sie Karel und die wunderbare Session beschrieb, und sie erzählte von Mark, den beiden Begegnungen mit ihm, von ihrem Schmerz innen und außen und von ihren fressenden Zweifeln.
Worte, Sätze und Gedanken, die sie bisher verdrängt und in den hintersten Kammern ihrer Seele eingeschlossen hatte, sprudelten nur so heraus. Britta unterbrach sie nicht, sie ließ sie reden. Simone hörte sie nur ab und zu an ihrer Zigarette ziehen und den Rauch hörbar ausblasen. Dann war es lange still in der Leitung.
»Simone, du brauchst Hilfe.«
»Deswegen rufe ich an, ja.«
»Nein, nicht von mir. Du musst eine Therapie machen. Da muss ein Profi ran, ich kann dir nur zuhören, aber helfen kann ich dir nicht. Das sitzt tiefer bei dir, das hat eine lange Geschichte. Ich hab mal nachgelesen: Das Prinzip Lust durch Schmerz funktioniert, wenn man es ...«
»Stopp!« Simone unterbrach sie rigoros. »Das hatten wir doch schon mal, Britta. Du willst wieder alles auf meine Kindheit schieben. Das ist zu einfach.«
»Simone, du wolltest mit mir sprechen, jetzt lass uns auch reden. Ich hab dich das schon mal gefragt, in Berlin, nachdem du dich auf die perversen Spielchen mit diesem schönen Boris eingelassen hast: Wirst du es noch mal tun?«
»Ja.«
»Warum?«
Simone antwortete langsam: »Weißt du, vielleicht ist so eine Session einfach ein stärkerer Reiz als normaler Sex. Erst mal im Kopf und dann auch körperlich. Mein Körper reagiert. Es macht mich unendlich scharf.«
»Es macht dich scharf, wenn dich einer schlägt oder auspeitscht oder dir diese Klammern weißgottwohin klemmt? Blutet es eigentlich manchmal? Man muss doch blutige Striemen haben, wenn man ausgepeitscht wird. Ich darf mir das gar nicht vorstellen, mir wird echt schlecht!«
»Ja. Striemen hat man, das weißt du doch noch, als ich damals von Boris kam und nicht richtig sitzen konnte. Blut eher selten, aber es kommt vor. Mit Bepanthen und Eisbeuteln lässt sich das Schlimmste schnell beheben.«
»Aha. Medizinische Schnellversorgung, damit du schnell wieder einsatzbereit bist? Ich glaub›s nicht, ich glaub›s einfach nicht.«
»Ach Britta. Ich genieße es, so wie du vielleicht Knutschen und Streicheln genießt.«
»Klingt echt superklasse. Mit deinem Boris und diesem Karel hat das ja auch scheinbar geklappt. Hattest du vor dem Date mit deinem Prügelknaben keine Angst, dass deine Doms, wie du sie nennst, zu weit gehen?«
»Nein. Die Grenzen werden vorher festgelegt. Und es gibt ein Codewort, das alles beendet.«
»Du hast keine Angst, dass einer der Männer sich mal vergisst, dass der in so eine Art Blutrausch kommt und nicht aufhören kann zu prügeln? «
»Nein, bei den beiden ersten nicht. Bei Mark eigentlich auch nicht, ich hatte das Safewort, das bedeutet ja, sofort Stopp. Und er hat ja auch aufgehört, als ich das Wort gerufen habe. Insofern konnte ich mich auch auf ihn verlassen. Es war die seelische Grausamkeit, die ich dann überhaupt nicht mehr prima fand. Eine Nummer zu hart für mich ...«
»Simone, du erzählst mir von einem Kerl, der dich auf fiese Weise zusammengeschlagen hast, der dich gequält und benutzt hat – und du nimmst ihn in Schutz? Du tickst doch nicht mehr ganz richtig!« Britta
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