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Im Netz der Meister (German Edition)

Im Netz der Meister (German Edition)

Titel: Im Netz der Meister (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Berling
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in den kommenden Tagen und Wochen.
    Irgendwann will ich es nicht mehr erklären. Es ist, wie es ist.
    Unsere Konversation ist spröde am nächsten Tag. Unpersönlich. Ich schreibe dir eine Mail, die es beendet. Ich schließe meine Zeilen mit dem Satz, du mögest mir das letzte Wort gönnen. Ich weiß, was diese Zeilen bewirken. Deine Eitelkeit, dein Ego können es nach diesen Worten nicht zulassen, mit mir weiter zu kommunizieren. Ich weiß das. Trotzdem: Es zu beenden ist die einzige Möglichkeit, mit der ich meine Seele schützen kann.
    Ich leide wie ein Tier in den kommenden Wochen. Lese deine Briefe noch einmal, versuche, herauszufinden, wo ich mir etwas eingeredet und dich falsch interpretiert habe.
    Mein Instinkt sagt mir, dass ich mich bemerkbar machen soll.
    Ich schreibe dir. Jeden Tag. Nicht eine Mail schicke ich ab. Gehört zur bedingungslosen Demut nicht auch, über seinen Schatten springen zu müssen? Sicher, aber soll ich springen? Wohin soll das führen?
    Mein Verstand sagt, ich solle vernünftig sein und mir einen anderen suchen.
    Ich suche. Ich flirte wieder mit Karel. Ich spiele mit ihm, nicht er mit mir. Ich mache ihn in mich verliebt. Er will mich auf Händen tragen. Ich habe ihn nicht verdient.
    Du reagierst nicht auf SMS und nicht auf meine Mail. Ich hasse dich. Du hast meine Gefühle nicht verdient.
    Ich will so etwas nie wieder erleben. Du hast mich auseinandergenommen und vergessen, mich wieder zusammenzusetzen.
    Ich würde sofort kommen, wenn du mich rufst.
    Nein. Ich bin ich und das habe ich nicht nötig. Niemand hat das Recht, einen anderen Menschen so zu behandeln.

    Simone war nicht mehr sie selbst. Sie fühlte sich wie ihre eigene Beobachterin, und was sie sah, war schrecklich. Sie sprach mit niemandem über ihr Erlebnis, wem hätte sie auch davon erzählen sollen? Nachts wachte sie oft schweißüberströmt auf, hatte Albträume, in denen sie von einem Bild zum anderen taumelte. Manchmal hielt ein Mann mit Handschuhen sie an den Armen, manchmal war sie an einen eisernen Zaun gefesselt, manchmal in einem Käfig eingesperrt. Sie wollte schreien, laut schreien in ihren Träumen, sie wollte weglaufen, flüchten, aber sie konnte es nicht. Sie war stumm, brachte keinen Laut über die Lippen, und sie war stets unfähig, sich zu bewegen. Wenn sie aufwachte, saß sie mit weit aufgerissenen Augen im Bett und starrte in die Dunkelheit. Neben ihr lag Gerald und atmete und ruhig und gleichmäßig. Alles war gut. Sie hatte nur geträumt. Sogar ihre Schreie hatte sie geträumt.
    War es das? Gut?
    Es dauerte lange, bis sie nicht mehr das Gefühl hatte, neben sich zu stehen. Manchmal nahm sie den Telefonhörer in die Hand, wollte Britta anrufen und ihr alles erzählen, über diese schreckliche Geschichte sprechen, aber sie legte jedes Mal wieder auf. Britta würde sie doch nicht verstehen, niemand würde das. Schließlich war sie freiwillig zu Mark gefahren, sie hätte wissen müssen, was passieren konnte. Und sie hätte nicht zwischen seinen Zeilen lesen dürfen, denn dort stand nichts geschrieben.
    Sie war an einen Sadisten geraten, an einen Mann, der dringend eine Therapie brauchte, das war ihr Fazit nach endlosem Nachdenken.
    Sie fragte sich, warum sie über Nacht bei Mark geblieben war, warum sie nicht viel früher »Rot« gerufen und die Tortur beendet hatte. Die einzige Erklärung, die sie fand, war ihre Erschöpfung, ihre Dummheit und ihre feste Überzeugung, eine potenzielle Sub zu sein.
    War sie das? Eine Sub, eine Sklavin?
    Durfte ein Mensch von einem anderen Unterwürfigkeit fordern? War das überhaupt möglich? Setzte Unterwürfigkeit Komplexe, Minderwertigkeitsgefühle voraus? War es so, dass jemand, der sich selbst klein macht, um einem anderen Größe zu geben, die Macht hatte? War dieses ganze Spiel um Dominanz und Submission also eine einzige Lüge?
    Hatte sie sich etwas vorgemacht, als sie glaubte, im Sadomasochismus, in diesen Rollenspielen, etwas zu finden, das sie unbewusst immer gesucht hatte? Vielleicht hatte sie sich ihre Faszination nur eingebildet?
    Aber sie hatte sich so sehr daran geklammert - warum?
    Hatte sie die Begegnungen mit Boris und Karel wirklich genossen, weil es ihr gefallen hatte? Oder war es nur die aufkommende Midlife-Crisis einer 40-Jährigen, die noch einmal begehrt werden will und alles dafür tut? War sie verrückt geworden, als ihr Verstand offenbar aussetzte und sie sich zum zweiten Mal mit Mark verabredet hatte? Wie hatte sie sich dieser Gefahr aussetzen

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