Im Netz der Meister (German Edition)
schrie die letzten Worte fast.
»Ich versuche, zu erklären, ich nehme ihn nicht in Schutz. Britta, so was wird mir nicht mehr passieren, darauf kannst du Gift nehmen. Ich werde finden, was ich suche – was immer es ist.«
»Aber du suchst wieder ein Date mit so einem Ledermacker?«
Simone musste grinsen. »Ja. Lederoutfit sieht klasse aus. Und Dominanz und Schmerz ist für mich nun mal etwas sehr Erotisches. Aber diese Demütigungen, die muss ich nicht haben.«
»Das heißt, handfeste Schmerzen sind okay, aber verbale Erniedrigungen nicht? Wieso lässt du dich eigentlich auch noch fesseln, wenn du dich sowie freiwillig quälen lässt?«
Simone überlegte. »Weil’s mir Spaß macht, wenn ich mich nicht wehren, nicht flüchten kann. Weil es aufregend ist, wenn ein Mann mich zwingt, mich ihm anzuvertrauen.«
»Und was finden die Typen an dieser Nummer gut? Ich meine, was ist daran toll und erotisch, jemandem weh zu tun? Ich verstehe das Ganze nicht wirklich.«
»Ach Britta, ich denke, wenn’s gut läuft, dann will nur einer dem anderen seine Fantasien erfüllen.«
»Ich kann nur etwas für einen anderen tun, wenn ich ihn liebe. Aber du liebst diese Männer doch gar nicht. Wie kannst du das für jemanden ertragen wollen oder jemanden solche Dinge mit dir tun lassen, den du nicht liebst?«
»Ich weiß es nicht, Britta. Du musst ja auch nicht jeden gleich heiraten, mit dem du Sex hast. Vielleicht hab ich einfach keine Geduld, mit meiner Art von Sex zu warten, bis ich jemanden treffe, in den ich mich verliebe. Lieben geht eh nicht, das ist größer, das ist ein Gefühl, das ich bei Gerald habe. In Mark war ich verliebt, aber das ging eben in die Hose. Ich werde beim Nächsten versuchen, meine Gefühle unter Kontrolle zu behalten. Ich werde meinem Verstand nie mehr erlauben, auszusetzen.«
»Beim Nächsten? Bist du jetzt total durchgeknallt? Simone, findest du nicht, dass du übertreibst? Es ist völlig okay, wenn Frauen dafür sorgen, dass sie ihren Spaß haben, aber du hast es doch nicht nötig, immer weiter zu gehen, du musst doch nicht ständig auf der Suche nach dem nächsten Kick sein!«
»Doch, Britta. Muss ich.«
Sie sprachen noch eine Weile, bevor sie auflegten.
Simone dachte sehr lange über Brittas Worte nach. Hatte sie Recht? War sie ein Fall für die Therapie? Sollte sie sich einen Psychiater suchen und dem erzählen, dass sie sich mit fremden Männern traf, die sie im Internet suchte, dass sie mit ihnen vögelte, nachdem sie sich hatte verprügeln lassen, dass sie perverse Spiele trieb? War das noch normal, dass sie unterbewusst die Entscheidung getroffen hatte, weiterzumachen – trotz Mark? Es war krank! Sie gehörte wirklich auf die Couch eines Psychiaters. Oder?
Nein. Niemand kennt mich besser als ich mich selbst. Ich schaff das alleine. Ich bin doch nicht bescheuert. Und krank bin ich auch nicht.
Simone surfte nicht mehr bei Love.Letters. Sie löschte ihr Profil und beschloss, sich aus der virtuellen Welt zurückzuziehen und sich auf ihre alten Werte zu besinnen. Sie wollte ihr altes Leben wiederhaben, ihre alten Mittelpunkte, sie wollte ihre Ruhe und aus der Ruhe Kraft schöpfen, um alles hinter sich lassen zu können. Die Seitensprünge waren als Eskapaden einer Frau in der Midlife-Crisis zu werten, sie hatten nicht mehr zu bedeuten als genau das, jaja, und damit war das Thema unter »Torschlusspanik« abgehakt und erledigt.
Sie kümmerte sich intensiv um ihre Familie. Sie ging mit Jenny und Julia ins Kino und zu McDonalds, alberte mit ihnen herum, hörte sich ihre Musik an, fragte wieder nach den Leistungen in der Schule und den Erlebnissen mit den Freundinnen. Sie fuhr direkt nach Ladenschluss heim, kochte jeden Abend besonders liebevoll und begann, den gemeinsamen Winterurlaub zu planen. Lange liegen gebliebene Hausarbeiten wurden erledigt und der Garten auf Vordermann gebracht.
Simone erschrak, als sie das Ausmaß der häuslichen Vernachlässigung sah. Hatte sie wirklich nichts anderes mehr im Kopf gehabt als Männer, Sex und Sessions?
Sie dachte über Karin Köhr nach und über die spontane Kündigung, und es tat ihr leid, sie so abgefertigt zu haben. Sie wollte sie demnächst besuchen und sich mit einer Flasche Wein und einem Blumenstrauß für ihr Benehmen entschuldigen. Wieder einstellen konnte sie Karin zwar nicht, denn Adele Fuchsberg machte ihre Sache gut, aber die Freundschaft, die Karin immer gesucht hatte, ließe sich vielleicht doch noch aufbauen. Sie hatte viel zu
Weitere Kostenlose Bücher