Im Netz der Meister (German Edition)
hatte sie gesurft und gezielt nach Männern über fünfundfünfzig Jahren gesucht.
Es gab nicht sehr viele von ihnen, die Gruppe der Dreißig- bis Vierzigjährigen war die bei Love.Letters am stärksten vertretene. Daher klickte Simone die wenigen Profile der älteren Herren nacheinander alle an.
Fünf von ihnen waren achtundfünfzig Jahre alt und kamen aus München. Komischer Zufall , dachte Simone. Arno kam auch aus München und hatte dasselbe Alter.
Simone staunte nicht schlecht, denn in allen fünf Profiltexten erkannte sie eindeutig Arnos Schreibstil.
Unter Satyr, Marquis und Ohne-Gnaden gab er sich als Dom aus, der eine Sub sucht. Simone war sich ganz sicher, dass es Arno war, denn die Fetischfotos auf den Seiten kannte sie von Arnos umfangreicher Homepage außerhalb von Love.Letters. Er hatte ihr die Adresse einmal gegeben, weil er dort eine selbst verfasste Geschichte namens »Liebe im Regionalexpress« veröffentlicht und um ihre Meinung dazu gebeten hatte.
Als Subsequent und als Leopold stellte er sich als devoter Sklave von Lady Domme vor.
In den Gästebüchern der beiden konnte man tatsächlich nachlesen, wann sie sich getroffen hatten, dass sie von ihm karierte Pumps bekommen hatte, dass ein Ausflug in die Lüneburger Heide für beide sehr schön gewesen war und dass sie in freier Natur eine ausschweifende Zeit miteinander verbracht hatten.
Simone war immer ein wenig pikiert, wenn sie solche Privatissima las. Das gehörte nicht in die Öffentlichkeit, wen gingen diese Dinge wirklich was an? Warum taten Paare so was? Auf der Seite von Subsequent war ein Foto eines korpulenten Mannes abgebildet. Er saß in einem Sessel und hatte eine Vollgummimaske über dem Kopf, die an eine Gasmaske erinnerte. Der Mann trug hochhackige Pumps und ein Kleid mit bunten Streublümchen.
Für Simone war dieses Foto der Inbegriff der Lächerlichkeit, aber sie zwang sich zur Toleranz. Jeder Jeck ist anders – hatte man ihr das nicht ihr Leben lang eingebläut?
Trotzdem konnte sie sich nicht vorstellen, sich von einem Mann dominieren zu lassen, der gelegentlich Gasmasken zu Blümchenkleidern trug. Daher korrespondierte sie auch mit dem Switcher Theo recht halbherzig. Vielleicht war er ja auch ein DWT, ein Damenwäscheträger.
Ja, er kenne beide Seiten, erzählte Theo. Aber er sei mehr dominant als devot, das habe sich so entwickelt.
Er war fünfzig Jahre alt, verheiratet und hatte drei Kinder. Was er beruflich machte, wollte er nicht sagen, aber es interessierte Simone auch nicht wirklich. Theo war nett und freundlich, verabscheute Cyber-Sex und vermittelte insgesamt einen sehr ruhigen Eindruck. Er wohnte in Koblenz, also ganz in der Nähe.
Sie tauschten Fotos. Theo war groß, schlank, er hatte eine gute Figur für sein Alter. »Fitness-Studio, viermal die Woche«, erklärte er ihr. Er rauchte nicht, gönnte sich nur sehr selten ein Glas Bier und spielte am Wochenende Tennis. Alles der Figur wegen, die sein ganzer Stolz war. Theo war braun gebrannt.
»Solarium, jedes Mal nach dem Training. Man muss was tun«, sagte er. Zu Simones Foto äußerte er sich euphorisch. »Umwerfend schön! Was muss ich tun, um dich zu bekommen?«, schrieb er.
Simone nahm das Kompliment lässig entgegen, sie maß solchen Worten inzwischen nicht mehr allzu viel Bedeutung bei. Sie wusste, dass sie gut aussah, aber es gab weiß Gott schönere und vor allem jüngere Frauen. Nur waren die nicht bei Love.Letters, sie hatten es wahrscheinlich nicht nötig, sich dort anzubieten wie Sauerbier, sondern sie trafen ihre Prinzen in den Arenen des realen Lebens.
»Wenn ich nicht verheiratet wäre und so selten alleine raus käme, wäre ich nicht im Internet auf der Suche«, schrieb Simone an Theo. »Obwohl es, zugegeben, schwierig sein könnte, draußen einen Dom zu finden, denn es steht schließlich keinem Mann im Gesicht geschrieben, ob er mit Dominanz und Peitsche umgehen kann.«
Theo stimmte ihr zu und antwortete: »Du brauchst nicht mehr zu suchen. Du hast mich gefunden. Ich kann mit der Peitsche umgehen, und ich denke, ich kann auch mit dir umgehen.«
Simone lächelte ihren Bildschirm an. »Tatsächlich, Theo? Nun, dann lass es uns versuchen.«
Sie schrieben sich noch ein paar Tage, dann verabredeten sie zu einem unverbindlichen Schnupperdate in einem Café in Bad Godesberg. Zuvor telefonierten sie und Theo sagte nach einigen Minuten: »Bis zum Beweis des Gegenteils liebe ich dich ziemlich.«
Wie bitte? Hatte sie sich verhört? Simone war
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