Im Netz der Meister (German Edition)
entsetzt. Wie konnte er so etwas sagen? Sie hatten sich nie gesehen, nur ein paar Mails getauscht, in denen sie ihre Neigungen und gemeinsame Möglichkeiten abgeklärt hatten. »Wie sorglos du mit diesen Worten umgehst, Theo!«
Er lachte und meinte, er sei eben ein Mann, der wisse was er wolle und der seine Gefühle gelernt habe zu reflektieren. Und Simone sei seine Traumfrau, zweifellos.
»Nein, Theo. Du hast dir ein Idealbild von mir gemacht, in das du glaubst, Gefühl investieren zu müssen. Warte unser Treffen ab, bevor du mir solchen Unsinn erzählst.«
Simone ging gelassen zu dieser Verabredung, sie war nicht aufgeregt, nur gespannt. So würde sie es künftig immer handhaben: rasche Entscheidungen, keine überflüssigen Emotionen und eine Session, deren Regeln sie zuvor festlegte. So etwas wie mit Mark würde ihr nicht noch einmal passieren. Sie wollte den Kick, den ihr die Situation einer Session brachte, sie wollte das Abenteuer und sie wollte die unverbindliche Abwechslung.
Theo sah auch real ganz passabel aus. Sein Gesicht gefiel Simone nicht besonders, aber das war ihr letztlich egal. Wahrscheinlich würde sie sowieso während der wichtigsten Zeit, die sie miteinander verbrachten, eine Augenbinde tragen.
Theo sprach leise und langsam. Er erzählte von seiner Frau, die leider so gar nichts mit Dominanz und Unterwerfung am Hut hatte, von seinen Söhnen, die alle drei sportbegeistert waren und zum Gymnasium gingen, und von seinen Aktivitäten im Fitness-Studio. Ein stinknormaler Ehemann auf Abwegen , dachte Simone.
Theo war Inhaber einer gut gehenden Reinigungsfirma. Er beschäftigte fast hundert Putzfrauen, die in Büros und Schulen eingesetzt wurden. Das alles interessierte Simone nicht wirklich, aber sie bemühte sich, ein teilnehmendes Gesicht zu machen und das Gespräch irgendwann auf die geplante Begegnung zu lenken. Sie verabredeten eine Session in zwei Wochen. Theo wollte ein Motel ausfindig machen, da er nur über Tagesfreizeit verfügte. Simone organisierte Adele als Vertretung im Buchladen für einen Nachmittag und wartete die Zeit bis zum Date völlig entspannt und gelassen ab. Keine Emotionen, nein, nein, sie wollte ihren Spaß und gut.
Ich bin gespannt. Unser erstes Treffen war nur ein platonisches, um zu sehen, ob es funkt.
»Bis zum Beweis des Gegenteils liebe ich dich ziemlich«, hast du mir gesagt, bevor du mich überhaupt real gesehen hast. Harter Tobak für meinen Geschmack, ich kann deine Worte nicht einordnen.
Wenn es real mit uns klappen würde, stände eine Entscheidung an, hast du gesagt. Du meintest deine Frau damit. Das ist mir suspekt. Das will ich gar nicht. Ich will ein Spiel und keine Beziehung. Du kennst mich gar nicht, wie kannst du so was sagen?
Wenn es real mit uns klappt, dann haben wie eine gute Session, und jeder geht wieder seiner Wege.
Ich habe kein Kribbeln im Bauch, wenn ich dich ansehe.
Du bist attraktiv. Groß, schlank, braun gebrannt. Helle Augen. Ich mag helle Augen. Sehr. Deine Stimme ist leise, melodisch, sie klingt vertrauenswürdig. Ich kann mir gut vorstellen, wie du mit deinen Kindern umgehst. Ich kann mir nicht vorstellen, wie sie klingt, wenn du erregt bist.
Das indische Essen ist sehr gut. Scharf, aber gut. Du trinkst dein drittes großes Bier, um drei Uhr am Nachmittag, erzählst aus deinem Alltag, von deinen drei Kindern, von deiner Frau.
Ist deine Familie unser Thema? Heute? Vor diesen Stunden, die wir miteinander verbringen werden? Ich bin ein wenig unsicher.
Du schaust auf die Uhr. »Gehen wir?«
Ja, klar. Wir haben uns mit diesem Treffen nicht lange Zeit gelassen.
Etwa drei Wochen ist es her, dass wir uns zum ersten Mal bei Love.Letters begegnet sind. Pünktlich jeden Abend um zehn Uhr haben wir gechattet, pünktlich morgens um halb sechs hast du mir eine Mail geschickt. Ein disziplinierter Frühaufsteher. Und alle zwei Stunden kam eine SMS. Heute bin ich mehr neugierig als erregt, ich kann dich nicht richtig einschätzen.
Sehr zärtlich waren deine Worte im Chat, liebevoll deine Briefe, Dominanz und Konsequenz klangen in deinen Sätzen nur selten durch. Du legst den Arm um mich, wir gehen wie ein Ehepaar nebeneinander her.
Was wirst du tun? Wie wirst du es anfangen? Ich muss lächeln. Spüre ich eine gewisse Unruhe bei dir? Oder ist es Unsicherheit? Was mache ich, wenn du der Situation nicht gewachsen bist?
Wir betreten das Motelzimmer, du holst eine Flasche Mumm aus deinem Jack-Wolfskin-Rucksack und machst sie auf. Ich sage
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