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Im Netz Der Schwarzen Witwe

Im Netz Der Schwarzen Witwe

Titel: Im Netz Der Schwarzen Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
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würdigte sie allerdings kaum eines Blickes. Ihre Aufmerksamkeit galt ganz allein ihm. Prüfend betrachtete sie sein Gesicht. „Geht es Ihnen besser? Sie sind doch wohl nicht den ganzen Weg hierher gelaufen, oder?“
    „Nein, ich bin gefahren.“
    „Allein?“ Sie schaute über seine Schulter zum Wagen in ihrer Auffahrt.
    „Mir geht es schon viel besser“, sagte er. „Es war nur … ich bin mir nicht sicher, zu niedriger Blutzuckerspiegel vermutlich. Ich habe gestern Abend nicht viel gegessen, und heute Morgen, bevor ich das Hotel verließ, auch nicht. Aber inzwischen hatte ich ein Frühstück und konnte sogar ein paar Stunden schlafen, nachdem Daniel mich ins Hotel zurückgebracht hat.“
    „Zu niedriger Blutzucker“, wiederholte sie, wobei sie ihm unverwandt ins Gesicht sah.
    Es war offensichtlich, dass sie ihm nicht glaubte. Dies war die perfekte Gelegenheit, ihr von seiner Jonathan-Mills-Coverstory zu erzählen. Doch die Worte – die Lügen – kamen ihm nicht über die Lippen. Zum ersten Mal schaffte er es beinah nicht.
    Was war nur los mit ihm? Genau diesen Teil seiner Undercover-Aktivitäten hatte er immer besonders gemocht – wenn er den Hauptfiguren des Spiels allmählich näherkam. Bisher hatte er seine Coverstorys nie als Lügen betrachtet, eher als eine Art neuer Wahrheit. Seine erfundene Identität wurde zu seiner neuen Wirklichkeit. Er war Jonathan Mills.
    Aber als er jetzt in Mariahs Augen sah, konnte er John Miller nicht verdrängen. Wahrscheinlich forderten die Müdigkeit und der Stress der letzten Jahre einfach ihren Tribut.
    „Ehrlich gesagt“, begann er und räusperte sich, „war es wohl eher eine Kombination aus zu niedrigem Blutzuckerspiegel und der Tatsache, dass ich kurz vorher eine Chemotherapie hinter mich gebracht habe.“ Er fuhr sich über die kaum vorhandenen Haare und beobachtete das vage Entsetzen, das sich auf Mariahs Gesicht abzeichnete. Darüber hätte er eigentlich zufrieden sein müssen. Stattdessen löste es Schuldgefühle in ihm aus. Er riss sich zusammen. Schließlich war er der Roboter.
    „Oh“, war alles, was sie sagte.
    „Krebs“, erklärte er. „Hodgkin-Krankheit. Die Ärzte stellten es frühzeitig fest. Ich hatte Glück.“
    Erst jetzt betrachtete sie zerstreut die Blumen. Als sie wieder zu ihm aufsah, entdeckte er Tränen in ihren Augen. Tränen des Mitgefühls. Er wusste, dass er seinem Ziel einen weiteren Schritt näher gekommen war. Nur fühlte er sich nicht wie der Roboter, sondern wie ein verdammter Mistkerl.
    „Hätten Sie Interesse an dem Glas Eistee, das ich Ihnen heute Morgen angeboten habe?“, fragte sie und zwang sich zu einem freundlichen Lächeln.
    John nickte. „Gern.“
    Mit sanftem Hüftschwung unter ihrem Handtuch ging Mariah die Stufen zur Veranda voran. Er gestattete sich einen ausgiebigen Blick. Mehr als hinsehen war leider nicht drin.
    „Diese Blumen sind wunderschön. Solche habe ich noch nie gesehen.“ Sie deutete auf einen runden, von einem Sonnenschirm beschatteten Tisch mit zwei gepolsterten Stühlen. „Setzen Sie sich doch.“
    „Danke.“
    Mariah trug die Blumen in die Küche und stellte sie auf die Arbeitsfläche. Krebs. Jonathan Mills hatte Krebs. Er hatte gerade eine Chemotherapie hinter sich.
    Sie musste sich an der Kante der Arbeitsfläche abstützen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.
    Ihre kleinen Sorgen waren lächerlich im Vergleich zu einer solchen Krankheit, die ihn leicht hätte umbringen können. Selbst nach der Behandlung bestand durchaus die Möglichkeit, dass er sie nicht überleben würde.
    Sie atmete tief durch, nahm zwei Gläser aus dem Schrank, füllte sie mit Eiswürfeln und schenkte Eistee ein. Krebs.
    Irgendwie schaffte sie es zu lächeln, als sie mit den Gläsern auf die Veranda zurückkehrte.
    Ihm konnte sie jedoch nichts vormachen. „Ich habe Sie erschreckt, nicht wahr?“, fragte John, als sie das Glas vor ihn stellte. „Das tut mir leid.“
    Mariah setzte sich ihm gegenüber und arrangierte das Handtuch um ihre Hüften so, dass es ihre Beine zum größten Teil bedeckte. Sie war froh, dass er nicht einfach über die Tatsache hinwegging, ihr eben von seiner schlimmen Krankheit erzählt zu haben. „Können Sie darüber sprechen?“, fragte sie.
    Er trank einen Schluck Eistee. „Manchmal kommt es mir so vor, als hätte ich im vergangenen Jahr über nichts anderes gesprochen.“
    „Wenn Sie nicht darüber reden wollen …“
    „Oh, das ist schon in Ordnung. Ich glaube … ich wollte,

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